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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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bitte Sie, Tolkatschenko, sich um Ljamschin zu kümmern und ihn nach Hause zu schaffen. Versuchen Sie, Einfluß auf ihn zu nehmen und ihm klarzumachen, bis zu welchem Grade er sich selbst durch seinen Kleinmut schaden kann. An Ihrem Verwandten Schigaljow, Herr Wirginskij, ebensowenig wie an Ihnen persönlich möchte ich nicht zweifeln: Er wird nicht denunzieren. Uns bleibt nur, seine Haltung zu bedauern. Aber da er seinen Austritt aus dem Bund nicht angekündigt hat, ist es noch zu früh, ihn zu Grabe zu tragen. Also – hurtig, meine Herren; sie sind zwar Schafsköpfe, aber Vorsicht kann nicht schaden …«
    Wirginskij machte sich zusammen mit Erkel auf den Weg. Bevor Erkel Ljamschin der Obhut Tolkatschenkos übergab, führte er ihn Pjotr Stepanowitsch vor und meldete, sein Schützling habe sich besonnen, bereue, bäte um Verzeihung und wisse gar nicht mehr, was mit ihm gewesen sei. Pjotr Stepanowitsch machte sich allein auf den Weg und wählte den weitesten, jenseits der Teiche am Park entlang. Zu seiner Verwunderung holte ihn, als er fast die Hälfte zurückgelegt hatte, Liputin ein.
    »Pjotr Stepanowitsch, Ljamschin wird uns doch anzeigen!«
    »Nein, er wird sich besinnen und begreifen, daß er der erste wäre, der nach Sibirien käme, falls er denunziert. Jetzt wird keiner mehr denunzieren. Auch Sie werden nicht denunzieren.«
    »Und Sie?«
    »Ich werde euch alle hinter Gitter bringen, keine Frage, wenn einer von euch an Verrat auch nur denkt, und Sie wissen das. Aber Sie werden nichts verraten. Ist das alles, weshalb Sie zwei Werst hinter mir hergelaufen sind?«
    »Pjotr Stepanowitsch, Pjotr Stepanowitsch, wir werden uns vielleicht niemals wiedersehen!«
    »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Sagen Sie mir nur eines.«
    »Was denn? Ich wünsche übrigens, daß Sie verschwinden.«
    »Ein einziges Wort, aber die Wahrheit: Sind wir die einzige Fünfergruppe auf der Welt, oder stimmt es, daß es Hunderte von Fünfergruppen gibt? Ich frage in einem höheren Sinne, Pjotr Stepanowitsch.«
    »Ich sehe es an Ihrer Exaltation. Wissen Sie auch, Liputin, daß Sie gefährlicher sind als Ljamschin?«
    »Ich weiß, ich weiß, aber – die Antwort, Ihre Antwort?«
    »Sie sind ein Hohlkopf! Jetzt kann es Ihnen doch egal sein – ob es eine Fünfergruppe gibt oder Tausende.«
    »Das heißt, es gibt nur eine! Hab’ ich ja gewußt!« rief Liputin aus. »Ich habe es die ganze Zeit gewußt, daß es nur eine gibt, bis zu diesem Moment …«
    Er drehte sich, ohne eine weitere Antwort abzuwarten, auf dem Absatz um und verschwand in der Dunkelheit.
    Pjotr Stepanowitsch stutzte ein wenig.
    »Nein, keiner wird denunzieren«, sprach er mit Entschiedenheit vor sich hin, »aber die Gruppe muß Gruppe bleiben und parieren, sonst werde ich sie … Aber was für ein minderwertiges Volk ist das!«
    II
    ER ging zuerst nach Hause und packte sorgfältig, ohne sich zu beeilen, seinen Koffer. Um sechs Uhr morgens gab es einen Schnellzug. Dieser frühe Schnellzug fuhr nur einmal wöchentlich und war erst vor kurzem eingesetzt worden, einstweilen nur versuchsweise. Obwohl Pjotr Stepanowitsch die Unsrigen davon unterrichtet hatte, daß er sich für eine gewisse Zeit irgendwohin aufs Land zurückziehen würde, sollte es sich im folgenden herausstellen, daß er ganz andere Absichten hatte. Als er mit dem Kofferpacken fertig war, rechnete er mit seiner Wirtin, die er bereits unterrichtet hatte, ab und ließ sich von einer Droschke zu Erkel fahren, der in der Nähe des Bahnhofs wohnte. Erst danach, ungefähr gegen ein Uhr nach Mitternacht, begab er sich zu Kirillow, wobei er wieder Fedjkas geheimes Schlupfloch benutzte.
    Pjotr Stepanowitsch war allerübelster Laune. Außer anderen, für ihn äußerst schwerwiegenden Mißlichkeiten (er hatte immer noch nichts über Stawrogin in Erfahrung gebracht) hatte er anscheinend – ich kann es nicht mit Bestimmtheit behaupten – im Laufe des Tages von irgendwoher (mit größter Wahrscheinlichkeit aus Petersburg) einen heimlichen Wink über eine ihm in nächster Zeit drohende Gefahr erhalten. Freilich sind in unserer Stadt sehr viele Legenden über diese Zeit in Umlauf; aber sollte wirklich etwas Verläßliches darüber vorliegen, so ist es nur jenen bekannt, die es von Amts wegen zu wissen haben.
    Ich für mein Teil nehme an, daß Pjotr Stepanowitsch auch außerhalb unserer Stadt irgendwo tätig geworden ist und durchaus benachrichtigt werden konnte. Ich bin sogar davon überzeugt, daß er, im Gegensatz zu

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