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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Liputins zynischen und verzagten Zweifeln, tatsächlich außer der unsrigen noch ein paar andere Fünfergruppen gegründet hatte, zum Beispiel in den Metropolen, und wenn es nicht gerade Fünfergruppen waren, so waren es doch Beziehungen und Kontakte, möglicherweise sogar kuriose. Nicht später als drei Tage nach seiner Abreise ging bei uns aus der Hauptstadt die Weisung ein, ihn umgehend zu verhaften, aus welchem Anlaß auch immer – ich weiß es nicht. Dieser Befehl traf genau im richtigen Augenblick ein, um die erschütternde Wirkung einer nahezu mystischen Angst noch zu steigern, die sich plötzlich unserer Obrigkeit und der bislang unverbesserlich leichtfertigen Gesellschaft bemächtigt hatte – nach dem geheimnisvollen und beziehungsreichen Mord an dem Studenten Schatow, einem Mord, der das Maß unserer Absurditäten zum Überlaufen gebracht hatte, und seinen außerordentlich geheimnisvollen Begleitumständen. Aber der Befehl traf zu spät ein: Pjotr Stepanowitsch befand sich bereits in Petersburg, unter fremdem Namen, von wo er, als er den Braten roch, schleunigst über die Grenze schlüpfte … Übrigens greife ich in unzulässiger Weise vor.
    Als er bei Kirillow eintrat, war seine Miene boshaft und angriffslustig. Er schien, außer der Hauptsache, mit Kirillow noch persönlich abrechnen, sich an ihm rächen zu wollen. Kirillow freute sich offenbar über sein Kommen; er hatte, man merkte es, schon lange und mit schmerzlicher Ungeduld auf ihn gewartet. Sein Gesicht war bleicher als gewöhnlich, der Blick seiner schwarzen Augen schwer und reglos.
    »Ich dachte, Sie kommen gar nicht«, sprach er schleppend aus einer Sofaecke heraus, ohne übrigens Anstalten zu machen, sich zur Begrüßung zu erheben. Pjotr Stepanowitsch blieb vor ihm stehen und betrachtete, ohne ein Wort zu sagen, aufmerksam sein Gesicht.
    »Also, alles in Ordnung, und wir bleiben bei unserm Entschluß, tapfer!« Dabei lächelte er beleidigend-gönnerhaft. »Was ist denn los?« fügte er mit einem üblen Lächeln hinzu. »Wenn ich mich auch verspätet habe, so doch zu Ihren Gunsten: Ich habe Ihnen doch drei Stunden geschenkt.«
    »Ich will von euch keine geschenkten Stunden, und du kannst mir nichts schenken … Dummkopf!«
    »Wie?« Pjotr Stepanowitsch zuckte zusammen, hatte sich aber augenblicklich wieder in der Gewalt. »Diese Empfindlichkeit! Oho, sind wir etwa aufgebracht?« Er redete überdeutlich, immer noch mit dem Ausdruck beleidigender Herablassung. »In einem solchen Moment braucht man Ruhe. Sie sollten sich jetzt für einen Columbus halten, mich wie eine Maus von oben herab betrachten und sich nicht beleidigt fühlen. Ich habe Ihnen das gestern empfohlen.«
    »Ich will dich nicht wie eine Maus betrachten.«
    »Soll das ein Kompliment sein? Übrigens ist auch der Tee kalt – also, alles aus den Fugen. Nein, nein, hier stimmt etwas nicht. Oho! Was seh’ ich da auf dem Fensterbrett, auf dem Teller?« (Er trat an das Fenster.) »Sieh einer an, gekochtes Huhn auf Reis! … Aber warum ist es noch ganz? Demnach befanden wir uns in einer solchen Stimmung, daß nicht einmal ein Huhn …«
    »Ich aß, geht Sie nichts an; schweigen Sie!«
    »Natürlich, außerdem ist es egal. Aber für mich ist es jetzt nicht egal: Stellen Sie sich vor, ich habe so gut wie gar nicht zu Mittag gegessen, da kommt mir das Huhn gerade recht, da Sie dieses Huhn nicht mehr brauchen … nicht wahr?«
    »Essen Sie, wenn Sie können.«
    »Danke bestens, und anschließend einen Tee.«
    Er machte es sich augenblicklich in der anderen Sofaecke am Tisch bequem und stürzte sich mit wahrer Gier auf das Essen, ließ aber sein Opfer keinen Augenblick aus den Augen. Kirillow beobachtete ihn feindselig und angewidert, reglos, als ginge es über seine Kraft, den Blick abzuwenden.
    »Dennoch«, begann plötzlich Pjotr Stepanowitsch, weiter kauend, »sollten wir nicht zur Sache kommen? Wir werden also zu unserm Wort stehen, nicht wahr? Und der Brief?«
    »Ich entschied in dieser Nacht, daß mir alles egal ist. Ich werde schreiben. Über Proklamationen?«
    »Ja, auch über die Proklamationen. Übrigens, ich werde es diktieren. Ihnen ist doch alles egal. Können Sie sich überhaupt in einem solchen Augenblick für den Inhalt interessieren?«
    »Geht dich nichts an.«
    »Natürlich nicht. Übrigens, nur ein paar Zeilen: daß Sie mit Schatow zusammen Proklamationen verbreitet haben, unter anderem mit Hilfe Fedjkas, der sich in Ihrer Wohnung versteckt hielt. Dieser letzte

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