Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
vor … Und überhaupt sind wir, wir Russen … Ja, ja so etwas kommt vor.« Stepan Trofimowitsch stockte.
»Wenn der Herr ein Lehrer sind, was wollen der Herr dann in Chatowo? Oder wollen der Herr weiterfahren?«
»Ich … das heißt, ich will eigentlich nicht weiter … C’est à dire , ich möchte zu einem Kaufmann.«
»Dann also nach Spassow?«
»Ja, ja, eben, nach Spassow. Aber es ist übrigens ganz gleich.«
»Wenn der Herr nach Spassow wollen, und auch noch zu Fuß, dann ist der Herr in seinen schönen Stiefeln eine Woche lang unterwegs!« Das Frauchen lachte.
»So ist es, so ist es, und es ist ganz gleich, mes amis, ganz gleich«, und Stepan Trofimowitsch brach ungeduldig die Unterhaltung ab.
“Ein furchtbar neugieriges Volk; das Frauchen spricht übrigens besser als er, und ich stelle fest, daß seit dem Neunzehnten Februar ihr Ausdrucksvermögen sich ein wenig gewandelt hat. Aber was geht es sie an, ob ich nach Spassow will oder nicht nach Spassow? Ich werde sie doch bezahlen, warum belästigen sie mich?”
»Wenn der Herr nach Spassow wünschen, dann müssen der Herr aufs Schiff.« Der Bauer gab sich nicht zufrieden.
»Haargenau«, mischte sich die Frau lebhaft ein, »denn mit Pferden das Ufer entlang – das macht gut und gern dreißig Werst Umweg.«
»Gut und gern vierzig.«
»Und morgen können der Herr gegen zwei Uhr mittags in Ustjewo das Dampfschiff kriegen«, sagte das Frauchen abschließend. Aber Stepan Trofimowitsch schwieg hartnäckig.
Darauf verstummten auch die Frager. Der Bauer lenkte das Pferd; die Frau tauschte mit ihm wenige kurze Bemerkungen. Stepan Trofimowitsch nickte ein. Er war maßlos erstaunt, als die Frau ihn lachend rüttelte und er sich in einem ziemlich großen Dorf vor dem Eingang eines dreifenstrigen Bauernhauses fand.
»Eingeschlafen? Der Herr sind eingeschlafen?«
»Was ist das? Wo bin ich? Ach ja! Ja … Alles gleich«, seufzte Stepan Trofimowitsch und kletterte vom Bauernwagen herunter.
Traurig sah er um sich; sonderbar und irgendwie furchtbar fremd kam ihm plötzlich der Anblick des Dorfes vor.
»Ich habe ja den halben Rubel vergessen«, wandte er sich mit unangemessener Eile an den Bauern; offenbar fürchtete er sich schon davor, sich von den beiden zu trennen.
»Wir rechnen in der Stube ab, bitte schön«, forderte ihn der Bauer auf.
»Hier ist’s ganz schön!« ermunterte ihn das Frauchen.
Stepan Trofimowitsch stieg die wackeligen Holzstufen hinauf.
“Aber wie ist das nur möglich”, flüsterte er in tiefer, banger Verblüffung vor sich hin, trat jedoch in das Haus ein. “ Elle l’a voulu ”, ging es ihm wie ein Stich durchs Herz, und plötzlich vergaß er abermals alles, sogar, daß er in ein Haus eingetreten war.
Es war ein helles, recht sauberes Bauernhaus mit drei Fenstern und zwei Zimmern, kein eigentliches Wirtshaus, sondern ein einfaches Bauernhaus, in dem nach alter Gewohnheit bekannte Reisende abstiegen. Stepan Trofimowitsch ging ohne jede Verlegenheit sofort in die rechte Ecke, vergaß zu grüßen, setzte sich und überließ sich seinen Gedanken. Eine außerordentlich wohlige Wärme nach der dreistündigen Feuchtigkeit unterwegs umfing plötzlich seinen ganzen Körper. Sogar den Schüttelfrost, der ihm in kurzen Schauern über den Rücken lief, wie es bei besonders empfindlichen Fiebernden beim plötzlichen Übergang aus Kälte in Wärme der Fall ist, empfand er plötzlich als etwas Angenehmes. Er hob den Kopf, und der verlockende Duft heißer Pfannkuchen, mit denen sich die Wirtin am Ofen zu schaffen machte, stieg ihm in die Nase. Er lächelte wie ein Kind, wandte sich der Wirtin zu und lallte plötzlich:
»Was ist denn das? Sind das Pfannkuchen? Mais … c’est charmant!«
»Wünschen der Herr zu kosten?« bot ihm die Wirtin unverzüglich und höflich an.
»Ich wünsche es, ich wünsche es wahrhaftig, und … ich würde Sie vielleicht auch um Tee bitten«, Stepan Trofimowitsch belebte sich sichtlich.
»Wünschen der Herr einen Samowar? Mit unserm allergrößten Vergnügen!«
Auf dem großen, blaubemalten Bauernteller erschienen die Pfannkuchen – die berühmten dünnen, mit frischer heißer Butter übergossenen, wunderbaren Bauernpfannkuchen aus Halbweizenmehl. Stepan Trofimowitsch kostete davon mit wahrem Genuß.
»Wie fett sie sind, und wie gut sie schmecken, wenn nur noch un doigt d’eau de vie möglich wäre!«
»Wünschen der Herr einen kleinen Wodka?«
»Das ist es! Das ist es! Ein ganz klein wenig, un
Weitere Kostenlose Bücher