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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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an sich halten, als Stepan Trofimowitsch in seiner Zerstreutheit sie plötzlich ansah. Sie war etwa siebenundzwanzig, kräftig gebaut, mit schwarzen Augenbrauen, Apfelbacken und freundlich lächelnden roten Lippen, die blitzende, weiße, gleichmäßige Zähne sehen ließen.
    »Sie … Sie meinen mich?« murmelte Stepan Trofimowitsch mit wehmütiger Verwunderung.
    »Der Herr werden wohl aus dem Kaufmannsstand sein«, ließ sich selbstbewußt der Bauer vernehmen. Er war ein stattlicher Mann von etwa vierzig Jahren, mit breitem, keineswegs dummem Gesicht und dichtem rötlichem Vollbart.
    »O nein, eigentlich kein Kaufmann … ich … ich … moi c’est autre chose «, Stepan Trofimowitsch versuchte zu entgegnen und verlangsamte für alle Fälle ein wenig seine Schritte, bis er hinter dem Bauernwagen bereits Seite an Seite mit der Kuh weiterging.
    »Wohl einer von den Herrschaften«, entschied der Bauer, als er die nichtrussischen Worte hörte, und straffte die Zügel.
    »Darum also sieht es ganz so aus, als wollten der Herr einen Spaziergang machen?« Die Frau gab sich immer noch nicht zufrieden.
    »… Sie fragen mich?«
    »Ausländer kommen mit der Eisenbahn gefahren, und der Herr haben Stiefel an, die nicht von hier sind …«
    »Militärstiefel«, fügte der Bauer mit Nachdruck hinzu.
    »Nein, Militär bin ich nicht eigentlich …«
    “So ein neugieriges Frauchen”, ärgerte sich Stepan Trofimowitsch im stillen, “und wie genau die beiden mich mustern … mais enfin … Mit einem Wort: sonderbar, es sieht so aus, als sei ich vor ihnen schuldig, dabei bin ich vor ihnen gar nicht schuldig.”
    Das Frauchen hatte inzwischen dem Bauern etwas zugeflüstert.
    »Nichts für ungut, wir können den Herrn, wenn’s beliebt, ein Stück mitnehmen, wenn’s dem Herrn gefällt.«
    Stepan Trofimowitsch belebte sich plötzlich.
    »Doch, doch, meine Freunde, mit großem Vergnügen, denn ich bin sehr müde, aber wie soll ich hinaufklettern?«
    “Wie erstaunlich!” dachte er. “Daß ich so lange neben dieser Kuh gegangen bin und nicht auf den Gedanken kam, zu fragen, ob ich mich zu den beiden setzen darf … Dieses ›wirkliche Leben‹ hat mancherlei Charakteristisches …”
    Der Bauer hielt sein Pferd allerdings immer noch nicht an.
    »Aber wohin möchten der Herr?« erkundigte er sich mit einem Anflug von Mißtrauen.
    Stepan Trofimowitsch verstand ihn nicht sogleich.
    »Der Herr möchten wohl nach Chatowo?«
    »Zu Chatow? Nein, weniger zu Chatow als vielmehr … Wir sind nicht so gut bekannt … wiewohl ich schon von ihm gehört habe.«
    »Das Dorf Chatowo! Das Dorf, von hier sind’s neun Werst.«
    »Ein Dorf? C’est charmant! Ach so, deshalb kommt es mir so vor, als hätte ich den Namen schon gehört …«
    Stepan Trofimowitsch ging immer weiter und wurde immer noch nicht zum Aufsteigen aufgefordert. Ein genialer Einfall schoß ihm durch den Kopf:
    »Sie glauben vielleicht, daß ich … Ich habe meinen Paß dabei und bin – ein Professor, das heißt ein Lehrer, wenn Sie so wollen. Aber ein Hauptlehrer. Ich bin ein Hauptlehrer. Oui, c’est comme ça qu’on peut traduire . Ich würde sehr gern aufsteigen und Ihnen dafür … und Ihnen dafür einen halben Stof Branntwein kaufen.«
    »Einen halben Rubel kriegen wir, Herr, der Weg ist schlecht.«
    »Sonst kommen wir arg zu kurz«, fügte das Frauchen hinzu.
    »Einen halben Rubel, gut, einen halben Rubel. C’est encore mieux, j’ai en tout quarante roubles, mais  …«
    Der Bauer hielt an, und Stepan Trofimowitsch wurde mit vereinten Kräften auf den Wagen hinaufgezogen und an die Seite der Frau auf den Sack gesetzt. Aber der Ansturm der Gedanken riß nicht ab. Immer wieder fühlte er, daß er irgendwie furchtbar zerstreut sei und nicht an das Notwendige denke, und wunderte sich darüber. Dieses Bewußtsein einer krankhaften geistigen Schwäche war in manchen Augenblicken sehr bedrückend und sogar kränkend.
    »Das ist … Wieso … Wieso läuft die Kuh hinten?« fragte er plötzlich das Frauchen als erster.
    »O je, Herr, Sie tun, als hätten Sie noch nie eine Kuh gesehen«, lachte die Frau.
    »In der Stadt gekauft«, mischte sich der Bauer ein, »unser Vieh ist schon im Frühjahr eingegangen, ’ne Seuche. Bei uns ist eins nach dem andern verreckt, eins nach dem andern, nicht mal die Hälfte hat’s geschafft, zum Heulen.«
    Dabei peitschte er mehrmals das Pferd, das in einer Fahrrinne steckengeblieben war.
    »Ja, so etwas kommt bei uns in Rußland

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