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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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tout petit rien .«
    »Für fünf Kopeken also?«
    »Für fünf – für fünf – für fünf – für fünf –, un tout petit rien«, bestätigte Stepan Trofimowitsch glückselig lächelnd.
    Bittet man einen Mann aus dem Volk um eine Gefälligkeit, so wird er einem, wenn er kann und will, hingebungsvoll und bereitwillig zu Diensten sein. Bittet man ihn aber, einen Wodka zu holen – so verwandelt sich seine gelassene Bereitwilligkeit plötzlich in raschen, freudigen Eifer, in eine beinahe vertrauliche Fürsorge. Jemand, der Wodka holt, fühlt – obwohl nur der andere ihn trinken, er selbst aber leer ausgehen wird, und er dies im voraus weiß – dennoch einen gewissen Teil des künftigen Genusses mit … Es vergingen nicht mehr als drei, vier Minuten (die Schänke war nur ein paar Schritt vom Haus entfernt), da standen schon auf dem Tisch vor Stepan Trofimowitsch die Wodkaflasche und das große grünliche Glas.
    »Das ist alles für mich?« Er war außerordentlich verwundert. »Ich habe immer Wodka im Haus gehabt, aber ich wußte nicht, daß man für fünf Kopeken soviel davon bekommt.«
    Er schenkte das Glas voll, erhob sich und ging mit einiger Feierlichkeit quer durch das ganze Zimmer in die andere Ecke, zu seiner Reisegefährtin auf dem Sack, dem Frauchen mit den schwarzen Augenbrauen, das ihm unterwegs mit ihren Fragen so zugesetzt hatte. Sie wurde verlegen, zierte sich lange, aber nachdem sie dem gebotenen Anstand Genüge getan hatte, stand sie schließlich auf, trank schicklich in drei Schlückchen, wie die Frauen zu trinken pflegen, das Glas aus und reichte es mit einer leidenden Miene und einer Verbeugung Stepan Trofimowitsch zurück. Würdevoll erwiderte er die Verbeugung und kehrte mit stolzer Haltung an seinen Tisch zurück.
    Dies alles vollzog sich auf eine plötzliche Eingebung hin: Eine Sekunde vorher hatte er selbst noch nicht gewußt, daß er vor das Frauchen treten und ihr das Glas kredenzen würde.
    “Den Umgang mit dem Volk beherrsche ich vollkommen, vollkommen, das habe ich ihnen schon immer gesagt”, dachte er selbstzufrieden, indem er sich den Rest aus der Flasche einschenkte; obwohl das Glas nicht ganz voll wurde, fühlte er sich von dem Wodka erwärmt, belebt und sogar ein wenig benebelt.
    “ Je suis malade tout à fait, mais ce n’est pas trop mauvais d’être malade. ”
    »Wünschen Sie vielleicht, dies zu erstehen?« fragte plötzlich in seiner Nähe eine leise Frauenstimme.
    Er hob den Blick und sah zu seinem Erstaunen eine Dame vor sich – une dame et elle en avait l’air  –, schon über die Dreißig, von sehr bescheidenem Auftreten, städtisch gekleidet in ein dunkles Kleid mit großem braunem Schultertuch. Ihr Gesicht hatte einen ungemein freundlichen Zug, der Stepan Trofimowitsch sogleich gefiel. Sie war kurz vorher in das Haus zurückgekehrt, wo sie ihr Gepäck liegengelassen hatte, auf der Bank unmittelbar neben Stepan Trofimowitschs Platz, darunter eine Büchertasche, die er beim Eintreten, wie er sich erinnerte, mit einem neugierigen Blick gestreift hatte, und ein nicht allzu großer Reisesack aus Wachstuch. Diesem Sack hatte sie zwei schöne gebundene Bücher, mit eingeprägtem Kreuz auf dem Einband, entnommen und hielt sie Stepan Trofimowitsch hin.
    » Eh … mais je crois que c’est l’Evangile ; mit größtem Vergnügen … Aha, jetzt verstehe ich … Vous êtes ce qu’on appelle Bibelverkäuferin; ich habe davon mehrmals gelesen … Einen halben Rubel?«
    »Fünfunddreißig Kopeken das Buch«, antwortete die Bibelverkäuferin.
    »Mit dem größten Vergnügen. Je n’ai rien contre l’Evangile et  … Ich wollte es schon immer wieder einmal lesen …«
    In diesem Augenblick ging es ihm durch den Sinn, daß er das Evangelium seit wenigstens dreißig Jahren nicht gelesen und sich nur vor etwa sieben Jahren an einiges daraus erinnert hatte, während der Lektüre von Renans neuem Buch »Vie de Jésus«. Da er kein Hartgeld hatte, holte er seine vier Zehnrubelscheine hervor, alles, was er besaß. Die Wirtin wollte wechseln, und da erst merkte er, als er sich umsah, daß sich inzwischen in der Stube ziemlich viel Volk versammelt hatte und daß alle ihn schon seit geraumer Zeit beobachteten und, wie es schien, über ihn sprachen. Sie redeten auch über die Feuersbrunst in der Stadt, am lebhaftesten der Besitzer des Wagens mit der Kuh, weil er soeben aus der Stadt kam. Man sprach von Brandstiftung und von den Schpigulinschen.
    “Mit mir hat er kein

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