Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Trofimowitsch, Sie haben gut reden, von wegen Klatsch und Spionieren, aber doch erst, nachdem Sie alles aus mir herausgeholt haben, wohlgemerkt, und auch noch mit solch übermäßiger Neugier. Warwara Petrowna dagegen, die hat gestern sofort ins Schwarze getroffen: ›Sie waren persönlich interessiert, daher wende ich mich gerade an Sie.‹ Und ob! Was kann ich schon für Absichten haben, wenn ich doch vor versammeltem Publikum eine persönliche Kränkung von Seiner Exzellenz geschluckt habe! Man könnte meinen, ich hätte Ursache, mich nicht nur aus Klatschsucht für ihn zu interessieren. Heute drückt er Ihnen die Hand, und schon morgen bekommen Sie als Gastgeber von ihm mir nichts, dir nichts Maulschellen, vor der ganzen ehrenwerten Versammlung, nur, weil ihm gerade danach ist. Nur aus Übermut! Und über alles – das schöne Geschlecht: Schmetterlinge und Gockelhähne! Gutsherren mit Flügelchen wie antike Kupidos, Petschorins und Herzensbrecher! Sie, Stepan Trofimowitsch, Hagestolz aus Überzeugung, Sie haben gut reden und mich um Seiner Exzellenz willen Klatschmaul schimpfen. Wenn Sie aber heiraten würden, Sie sind ja heute noch ein Bild von einem Mann, und zwar eine Hübsche, eine Junge, dann würden Sie vor unserm Prinzen alle Türen verriegeln und Barrikaden im eigenen Haus errichten! Ach, wäre diese Mademoiselle Lebjadkin, die die Peitsche kriegt, nicht verrückt und nicht lahm, dann könnte man bei Gott denken, daß sie und keine andere den Leidenschaften unseres Generals zum Opfer gefallen wäre, und daß der Hauptmann Lebjadkin eben dadurch an seiner ›Familienehre‹ Schaden genommen hätte, wie er sich auszudrücken pflegt. Das könnte höchstens dem ästhetischen Geschmack widersprechen, aber auch das soll für Seinesgleichen kein Hindernis sein, die sind keine Kostverächter, es kommt auf die Stimmung an. Sie sagen, das sei Klatsch, aber was kann ich denn dafür, wenn schon die ganze Stadt davon redet, während ich nur zuhöre und Ja und Amen sage: Ja und Amen sagen ist doch nicht verboten.«
»Die ganze Stadt redet davon? Wovon redet die ganze Stadt?«
»Das heißt, Hauptmann Lebjadkin brüllt im volltrunkenen Zustand in der ganzen Stadt herum, kommt das nicht auf dasselbe heraus, als wenn ein ganzer Marktplatz redete? Ist das etwa meine Schuld? Ich interessiere mich dafür nur unter Freunden, denn ich darf mich hier wohl immer noch wie unter Freunden fühlen«, und mit der unschuldigsten Miene sah er uns alle nacheinander an. »Da passierte doch diese merkwürdige Geschichte, man denke: Es sieht ganz so aus, als ob Seine Exzellenz noch aus der Schweiz eine hochedle junge Dame und sozusagen bescheidene Waise, die zu kennen ich die Ehre habe, beauftragt haben, Hauptmann Lebjadkin dreihundert Rubel zu überbringen. Lebjadkin jedoch soll wenig später die allerzuverlässigste Nachricht erhalten haben, ich möchte nicht sagen von wem, aber ebenfalls von einer hochedlen und somit höchst vertrauenswürdigen Person, es wären keine dreihundert, sondern tausend Rubel gewesen! … ›Folglich hat mir das Fräulein‹, brüllt Lebjadkin, ›siebenhundert Rubel gestohlen‹, und er beabsichtigt, sogar polizeiliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, droht zumindest damit und hängt es überall an die große Glocke …«
»Gemein, das ist gemein von Ihnen!« Der Ingenieur sprang plötzlich von seinem Stuhl auf.
»Aber Sie sind doch selbst diese hochedle Person, die in Nikolaj Wsewolodowitschs Namen Lebjadkin bestätigt hat, daß nicht dreihundert, sondern tausend Rubel abgeschickt wurden. Der Hauptmann persönlich hat es mir erzählt, im Zustand der Trunkenheit.«
»Das ist … das ist bedauerliches Mißverständnis. Jemand hat geirrt, und so kam es … Blödsinn, aber Sie sind gemein!«
»Auch ich möchte glauben, daß es Blödsinn ist, und ich höre es mit großer Betrübnis, weil immerhin eine hochedle junge Dame ins Gerede kommt, erstens wegen siebenhundert Rubeln und zweitens wegen offensichtlicher Intimitäten mit Nikolaj Wsewolodowitsch. Denn was kostet es schon Seine Exzellenz, ein unbescholtenes junges Mädchen oder die Ehefrau eines anderen in Verruf zu bringen, ähnlich, wie es damals in meinem Hause war? Und wenn sich in ihrer Nähe ein Mann findet, der die Hochherzigkeit in Person ist, werden sie ihn dazu bringen, mit seinem ehrlichen Namen fremde Sünden zu decken. Genau das hatte ich zu erdulden; ich spreche nämlich von mir …«
»Nehmen Sie sich in acht, Liputin!« Stepan
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