Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
der offenkundig dumm ist wie … man geniert sich nur, auszusprechen, wie dumm er ist; man kennt ein russisches Sprichwort, das auf solche Dummheit gemünzt ist; selbst er, der sich von Nikolaj Wsewolodowitsch beleidigt fühlt, bewundert seinen Scharfsinn: ›Ich staune‹, sagt er, ›über diesen Menschen: die allerlistigste Schlange!‹ (Seine eigenen Worte.) Da sage ich ihm (immer noch unter dem gestrigen Eindruck und bereits nach der Unterhaltung mit Alexej Nilytsch), ›wie ist es, Hauptmann‹, sage ich, ›wie sehen Sie das Ihrerseits: Ist Ihre allerlistigste Schlange nun verrückt oder nicht?‹ Darauf, glauben Sie mir, als hätte ich ihm plötzlich von hinten, ohne Warnung, eins mit der Peitsche übergezogen, fuhr er von seinem Platz in die Höhe: ›Ja‹, sagt er … ›Ja‹, sagt er, ›aber das kann‹, sagt er, ›keinen Einfluß haben auf …‹; worauf es keinen Einfluß haben kann – das sprach er nicht aus; daraufhin versank er in melancholische Gedanken, und zwar so tief, daß sein Rausch alsbald verflog. Wir saßen nämlich in der Schenke, bei Filippow. Und vielleicht nach einer halben Stunde erst schlug er plötzlich mit der Faust auf den Tisch: ›Ja‹, sagt er, ›vielleicht ist er verrückt. Aber das kann keinen Einfluß haben auf …‹ Und wiederum sprach er nicht aus, worauf es keinen Einfluß haben kann. Ich gebe jetzt selbstverständlich nur den Extrakt unserer Unterhaltung wieder, und doch ist der Gedanke klar; wen auch immer man fragt, alle kommen auf denselben Gedanken, auch wenn er früher keinem eingefallen ist: ›Ja‹, sagen sie alle, ›er ist verrückt, sehr klug, aber vielleicht auch verrückt.‹«
Stepan Trofimowitsch saß ganz still da und überlegte angestrengt.
»Und woher weiß das Lebjadkin?«
»Danach sollten Sie sich, wenn’s beliebt, bei Alexej Nilytsch erkundigen, der mich soeben hier mit ›Spion‹ betitelt hat. Ich bin ein Spion – und weiß es nicht, Alexej Nilytsch dagegen kennen alle Details und schweigen.«
»Ich weiß nichts oder wenig«, antwortete der Ingenieur immer noch gereizt. »Sie machen Lebjadkin betrunken, um ihn auszuhorchen. Sie haben auch mich hierhergebracht, um auszuhorchen und mich zum Reden bringen. Folglich sind Sie Spion!«
»Ich habe ihn noch nie betrunken gemacht, und er ist das viele Geld auch nicht wert, samt allen seinen Geheimnissen, soviel liegt mir gar nicht an ihnen, ich weiß nicht, wie Sie darüber denken. Im Gegenteil, er ist es, der mit Geld um sich wirft, nachdem er erst vor zwölf Tagen bei mir erschienen war und mich um fünfzehn Kopeken angebettelt hatte, und er ist es, der zum Champagner einlädt, und nicht ich. Aber Sie bringen mich auf einen guten Gedanken, und wenn es nötig ist, werde auch ich ihn einladen, und zwar, um ihn auszuhorchen, und werde vielleicht alle … Eure hübschen Geheimnisse aushorchen«, fauchte Liputin boshaft zurück.
Stepan Trofimowitsch sah den beiden Streitenden verständnislos zu. Beide stellten sich selbst bloß und ließen es an Deutlichkeit nicht fehlen. Mir kam der Gedanke, daß Liputin diesen Alexej Nilytsch mit der Absicht hergebracht hatte, um ihn durch einen dritten in die gewünschte Unterhaltung zu verwickeln, das war sein Lieblingsmanöver.
»Alexej Nilytsch kennen Nikolaj Wsewolodowitsch nur zu gut«, fuhr Liputin gereizt fort, »aber sie verschweigen es. Und wenn Sie nach dem Hauptmann Lebjadkin fragen, so hat ihn Nikolaj Wsewolodowitsch eher als wir alle kennengelernt, in Petersburg, vor fünf oder sechs Jahren, in jener kaum bekannten, wenn man sich so ausdrücken soll, Epoche seines Lebens, als er noch nicht entfernt daran dachte, uns mit seinem Erscheinen zu beglücken. Unser Prinz hatte damals, wie man wohl schließen muß, einen recht eigentümlichen Bekanntenkreis in Petersburg um sich versammelt. In diese Zeit fällt auch, wie ich glaube, die Bekanntschaft mit Alexej Nilytsch.«
»Nehmen Sie sich in acht, Liputin, ich warne Sie, Nikolaj Wsewolodowitsch wollte in nächster Zeit hierherkommen, und er wird sich zu wehren wissen.«
»Aber doch nicht gegen mich? Ich bin der erste, der überall ausschreit, daß er der hellste und feinste Kopf ist, und ich habe Warwara Petrowna gestern in diesem Sinne vollständig beruhigt. ›Nur für seinen Charakter‹, sagte ich ihnen, ›möchte ich mich nicht verbürgen.‹ Lebjadkin hat noch gestern wortwörtlich gesagt: ›Es ist sein Charakter‹, sagte er, ›unter dem ich gelitten habe.‹ Ach, Stepan
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