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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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schien sogar erschrocken.
    »Was denn sonst?« fing er an, wobei er Stepan Trofimowitsch von seinem Stuhl aus vorsichtig beobachtete. »Warwara Petrowna ließen mich plötzlich rufen und fragten mich ›konfidentiell‹, was ich in meiner persönlichen Meinung denke: Ist nun Nikolaj Wsewolodowitsch verrückt, oder ist er bei Verstand? Soll man sich etwa nicht darüber wundern?«
    »Sie sind wahnsinnig«, murmelte Stepan Trofimowitsch, und plötzlich verlor er geradezu die Fassung: »Liputin, Sie wissen zu gut, daß Sie nur deshalb gekommen sind, um mir irgendeine Gemeinheit dieser Art zu hinterbringen und … etwas noch Schlimmeres!«
    Sofort erinnerte ich mich an seinen Argwohn, daß Liputin in unserer Angelegenheit nicht nur besser unterrichtet sei als wir, sondern darüber hinaus etwas wisse, was wir niemals wissen würden.
    »Ich bitte Sie, Stepan Trofimowitsch«, stammelte Liputin, als wäre er furchtbar erschrocken, »ich bitte Sie …«
    »Schweigen Sie und fangen Sie an! Ich bitte Sie ausdrücklich, Herr Kirillow, ebenfalls zurückzukommen und hierzubleiben, ich bitte ausdrücklich! Nehmen Sie Platz. Und Sie, Liputin, Sie fangen ohne Umschweife an, ganz einfach … und unterlassen Sie alle Ausflüchte!«
    »Wenn ich nur geahnt hätte, wie sehr Sie das frappiert, hätte ich überhaupt den Mund gehalten … Aber ich habe doch geglaubt, Sie wüßten alles schon von Warwara Petrowna persönlich!«
    »Sie haben gar nichts geglaubt! Fangen Sie an, fangen Sie endlich an! Haben Sie nicht gehört?«
    »Aber tun Sie mir den einen Gefallen, und setzen Sie sich auch, denn wie kann ich sitzen bleiben, während Sie so aufgeregt vor mir … auf und ab laufen. Das gehört sich nicht.«
    Stepan Trofimowitsch nahm sich zusammen und ließ sich würdevoll in seinem Sessel nieder. Der Ingenieur starrte mißmutig zu Boden. Liputin beobachtete beide mit unendlichem Genuß.
    »Womit soll ich anfangen … Sie haben mich aus dem Konzept gebracht …«
    VI
    »VORGESTERN schicken Warwara Petrowna plötzlich einen Diener zu mir: Sie lassen bitten, sagt er, morgen um zwölf Uhr vorzusprechen. Können Sie sich das vorstellen? Ich lasse meine Sachen liegen und läute Punkt zwölf Uhr. Ich werde direkt in den Salon geführt; warte ungefähr eine Minute – sie kommen herein, bieten mir Platz an und setzen sich mir gegenüber. Ich sitze da und traue meinen eigenen Augen und Ohren nicht; Sie wissen doch, daß sie auf mich sonst nicht gut zu sprechen waren! Sie beginnen geradezu, ohne alle Umschweife, wie es so ihre Art ist: ›Sie entsinnen sich‹, sagen sie, ›daß vor vier Jahren Nikolaj Wsewolodowitsch, der damals krank war, einige sonderbare Handlungen begangen hat, derart, daß die ganze Stadt darüber befremdet war, bis alles seine Erklärung fand. Eine dieser Handlungen betraf Sie persönlich. Nikolaj Wsewolodowitsch hat nach seiner Genesung und auf meine Bitte hin damals bei Ihnen einen Besuch gemacht. Mir ist ferner bekannt, daß er auch schon früher sich mit Ihnen unterhalten hat. Sagen Sie offen und frei, wie Sie …‹ (hier stockten sie ein wenig), ›wie Sie Nikolaj Wsewolodowitsch damals gefunden haben … Welchen Eindruck hat Nikolaj Wsewolodowitsch überhaupt auf Sie gemacht? … Welche Meinung haben Sie sich damals gebildet, und wie denken Sie heute? …‹
    Hier versagte ihnen völlig die Sprache, sie mußten sogar eine volle Minute innehalten und wurden plötzlich rot. Ich erschrak. Nun beginnen sie wieder, nicht gerade in einem rührenden – das würde nicht zu ihnen passen –, aber in einem so eindringlichen Ton:
    ›Ich wünsche‹, sagen sie, ›daß Sie mich gut und genau verstehen‹, sagen sie. ›Ich ließ Sie jetzt kommen, weil ich Sie für einen weitblickenden und scharfsinnigen Mann halte, der fähig ist, sich eine richtige Meinung zu bilden.‹ (Was für Komplimente!) ›Sie werden‹, sagen sie, ›natürlich ebenso verstehen, daß Sie eine Mutter vor sich haben … Nikolaj Wsewolodowitsch hat in seinem Leben einige Unbill erfahren, und sein Schicksal hat sich oft jäh gewendet. All das‹, sagen sie, ›könnte seinen Gemütszustand beeinflußt haben. Selbstverständlich‹, sagen sie, ›spreche ich nicht von einer Geisteskrankheit, das ist ausgeschlossen!‹ (Dies mit Bestimmtheit und Stolz.) ›Aber es könnte etwas Seltsames, etwas Besonderes, eine gewisse Denkweise, die Neigung zu einer gewissen besonderen Anschauung sein‹ (dies alles sind genau ihre Worte, Stepan Trofimowitsch, und

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