Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
mein Name beigefügt) bei ihr zu erscheinen. Sie ihrerseits wollte Schatow einladen, als Darja Pawlownas Bruder. »Bei dieser Gelegenheit können Sie von ihr die endgültige Antwort erhalten, genügt Ihnen das? War es diese Formalität, an der Ihnen so sehr gelegen war?«
»Beachten Sie diesen gereizten Schlußsatz über die Formalität. Die Ärmste, die Ärmste, die Freundin meines ganzen Lebens! Ich gestehe, daß diese jähe Wendung des Schicksals mich gleichsam niederschmettert … Ich gestehe, ich habe immer noch gehofft, und nun – tout est dit , und ich weiß jetzt, daß alles zu Ende ist; c’est terrible. O gäbe es doch diesen Sonntag überhaupt nicht und bliebe doch alles beim Alten; Sie würden mich weiterhin besuchen, und ich würde hier …«
»Liputins Gemeinheiten und Klatschgeschichten von heute vormittag haben Sie völlig aus der Fassung gebracht!«
»Mein Freund, Sie haben soeben an eine zweite Wunde gerührt, und zwar mit dem Finger des Freundes. Diese Freundesfinger sind im allgemeinen erbarmungslos und gelegentlich auch töricht, pardon, aber ob Sie es mir glauben oder nicht, ich habe beinahe alles vergessen, alle diese Gemeinheiten, das heißt, ich habe sie keineswegs vergessen, aber ich habe mich, dumm, wie ich bin, die ganze Zeit, während ich bei Lise war, bemüht, glücklich zu sein, und mir eingeredet, ich sei glücklich. Aber jetzt, jetzt geht es um diese hochherzige, humane, meinen gemeinen Fehlern gegenüber stets nachsichtige Frau, das heißt nicht immer nachsichtige, aber was für ein Mensch bin ich selbst mit meinem albernen schlechten Charakter! Ich bin ja ein verwöhntes Kind! Mit dem ganzen kindlichen Egoismus, aber ohne die kindliche Unschuld! Zwanzig Jahre umsorgte sie mich wie eine Kinderfrau, cette pauvre Tante, wie Lise sie so anmutig nennt … Und plötzlich, nach zwanzig Jahren, wünscht dieses Kind zu heiraten, nichts als zu heiraten, ein Brief jagt den anderen, und sie liegt mit Essigkompressen auf der Stirn da, und … und nun ist es soweit, und ich bin ab Sonntag ein Ehemann, das ist fürwahr kein Spaß … Warum bloß habe ich gedrängt, warum habe ich diese Briefe geschrieben? Ja, ich vergaß: Lise vergöttert Darja Pawlowna, sie sagt es wenigstens; sie sagt: › C’est un ange , ein Engel, nur ein wenig verschlossen.‹ Beide rieten mir zu, sogar Praskowja … Praskowja hat mir übrigens gar nichts geraten. O wieviel Gift steckt in dieser Korobotschka! Ja, auch Lise hat mir im Grunde nicht zugeraten: ›Wozu sollten Sie heiraten; Sie haben genug an den Freuden der Gelehrsamkeit!‹ Sie hat laut gelacht. Ich habe ihr dieses laute Lachen vergeben, denn ihr selbst liegt irgend etwas schwer auf dem Herzen. Aber ohne ein weibliches Wesen, sagen die beiden, werden Sie nicht auskommen. Sie werden alt und hinfällig, und bei ihr fänden Sie Schutz und Schirm, wie man so sagt … Ma foi , habe ich doch selbst, während ich die ganze Zeit hier mit Ihnen saß, im stillen gedacht, die Vorsehung sendet sie mir, da meine stürmischen Tage zur Neige gehen, und daß ich bei ihr Schutz und Schirm fände, wie man so sagt … enfin, sie kann sich im Haushalt nützlich erweisen. Sehen Sie, dieser Schmutz, sehen Sie, alles liegt einfach herum, neulich erst befahl ich aufzuräumen, und da liegt ein Buch auf dem Boden. La pauvre amie hat sich immer geärgert, daß es bei mir so schmutzig ist … Oh, nun wird ihre Stimme nicht mehr ertönen! Vingt ans ! Und … es gab auch anonyme Briefe, stellen Sie sich vor, Nicolas soll Lebjadkin sein Gut verkauft haben. C’est un monstre ; et enfin – wer ist Lebjadkin? Lise hört und hört zu, oh, wie sie zuhört! Ich habe ihr das laute Gelächter vergeben, ich sah, mit welchem Gesicht sie zuhörte, und ce Maurice … ich möchte jetzt nicht in seiner Haut stecken, brave homme tout de même, nur ein wenig schüchtern; aber mag er doch, Gott sei mit ihm …«
Er verstummte, er war müde, er hatte den Faden verloren und saß nun da, mit hängendem Kopf und unbeweglich auf den Boden gerichtetem erloschenem Blick. Ich nutzte die Pause und erzählte von meinem Besuch im Hause Filippow, wobei ich entschieden und trocken meine Meinung äußerte, daß Lebjadkins Schwester (die ich nicht zu Gesicht bekommen hatte) tatsächlich irgendwann einmal ein Opfer Nicolas’ gewesen sein könnte, in einem nach Liputins Worten geheimnisvollen Abschnitt seines Lebens, und daß es sehr gut möglich sei, daß Lebjadkin aus irgendeinem Grunde von Nicolas
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