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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Mütze.
    »Meinen Sie?« Er lächelte ein wenig erstaunt. »Wieso denn? Nein, ich … ich weiß nicht«, plötzlich wurde er verlegen, »ich weiß nicht, wie die anderen … aber ich fühle, daß ich nicht kann wie alle. Jeder denkt und denkt sofort etwas anderes. Ich kann nicht anders, ich denke das ganze Leben nur eines. Mich hat Gott das ganze Leben lang gequält«, brach es plötzlich erstaunlich expansiv aus ihm hervor.
    »Gestatten Sie mir noch die Frage, warum Sie nicht ganz fehlerfrei Russisch sprechen? Haben Sie es vielleicht in den fünf Jahren Ausland verlernt?«
    »Nicht ganz richtig? Weiß nicht. Nein, nicht Ausland. Ich habe mein ganzes Leben so gesprochen … Ist mir egal.«
    »Noch eine, eine delikatere Frage: Ich glaube Ihnen uneingeschränkt, daß Sie keinen Wert darauf legen, mit Menschen zusammenzusein, und wenig mit Menschen sprechen. Warum sind Sie jetzt mir gegenüber so gesprächig?«
    »Ihnen gegenüber? Sie saßen heute vormittag so gut da und Sie … Übrigens ist das egal … und Sie ähneln meinem Bruder sehr, in vielem, außerordentlich«, sagte er errötend. »Er ist vor sieben Jahren gestorben; älter als ich, sehr, sehr viel.«
    »Wahrscheinlich hat er Ihr Denken stark beeinflußt.«
    »N-n-nein, er sprach wenig; er sprach überhaupt nicht. Ich werde Ihren Brief abgeben.«
    Er begleitete mich mit einer Laterne bis zum Tor, weil er hinter mir abschließen wollte. ›Natürlich ist er geistesgestört‹, entschied ich im stillen. Vor dem Hoftor kam es zu einer neuen Begegnung.
    IX
    KAUM hatte ich den Fuß über die hohe Schwelle gesetzt, als eine kräftige Hand mich an der Brust packte.
    »Wer da?« grölte eine Stimme. »Freund oder Feind? Gestehe!«
    »Einer von uns! Einer von uns!« beschwichtigte Liputins Fistelstimme. »Herr G—w, ein junger Herr von klassischer Bildung und mit besten Beziehungen zu den höchsten Kreisen.«
    »Ist mir recht, wenn zu den höchsten Kreisen … und klassisch … also, hoch-ge-bil-det … Ignat Lebjadkin, Hauptmann a. D., der Welt und seinen Freunden zu Diensten … Wenn sie treu sind, wenn sie treu sind, die Schufte!«
    Hauptmann Lebjadkin, gute zehn Werschok groß, breit, fleischig, kraushaarig, mit rotem Gesicht und sternhagelbetrunken, konnte sich kaum auf den Beinen halten und brachte seine Worte nur mit Mühe hervor. Ich hatte ihn übrigens auch schon früher von weitem gesehen.
    »Aha, der ist auch hier!« grölte er wieder beim Anblick Kirillows, der immer noch mit seiner Laterne dastand; er hob schon die Faust, ließ sie aber sofort wieder sinken.
    »Um der Gelehrsamkeit willen vergebe ich Ihnen! Ignat Lebjadkin ist ein hoch-ge-bil-de-ter …
    Der Liebe flammende Granaten
    Zerplatzten in der Brust Ignaten,
    Es weint voll Schmerz und bittrem Harm
    Der Sewastopol -Kämpe ohne Arm.
    Bin zwar in Sewastopol nicht dabeigewesen und habe auch keinen Arm verloren, aber was für Reime!« Seine versoffene Visage kam mir immer näher.
    »Der Herr haben keine Zeit, sie müssen nach Hause«, redete ihm Liputin zu, »sie werden morgen Lisaweta Nikolajewna alles weitererzählen.«
    »Lisaweta!« grölte er von neuem. »Halt! Stehenbleiben! Eine Variation!
    Auf einem Pferde seh’ ich schweben
    Einen Stern, von Amazonen umgeben,
    Und herab von des Pferdes Rücken
    Grüßt mich das Aristokratenkind lächelnd mit Blicken.
    »Dem Stern der Amazonen«. Das ist doch eine Hymne! Eine Hymne, wenn du kein Esel bist! Das werden diese Taugenichtse nie begreifen! Halt!« Er klammerte sich an meinen Mantel, obwohl ich mit aller Kraft durch die Torpforte hinausstrebte. »Sag ihr, ich bin ein Ritter der Ehre, und Daschka … Daschka werde ich zwischen zwei Fingern … Die ist eine Leibeigene, eine Magd, und soll sich nicht unterstehen …«
    Und damit stürzte er zu Boden, weil ich mich gewaltsam aus seinen Händen befreit hatte und die Straße hinuntereilte. Liputin folgte mir.
    »Alexej Nilytsch werden ihm schon auf die Beine helfen. Wissen Sie, was ich soeben von ihm erfahren habe?« schwatzte er atemlos. »Haben Sie sein Gedicht gehört? Er hat dieses Gedicht »Dem Stern der Amazonen« in ein Couvert gesteckt, versiegelt, und will es morgen mit seiner vollen Unterschrift Lisaweta Nikolajewna zukommen lassen. Famos, nicht wahr?«
    »Ich wette, daß Sie ihn dazu angestiftet haben.«
    »Sie werden verlieren!« lachte Liputin schallend. »Er ist verliebt, verliebt wie ein Kater, und wissen Sie, angefangen hat es mit Haß. Er hat anfangs Lisaweta Nikolajewna

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