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Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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pompös auszudrücken, mein Herr, ich halte das für eine Dreistigkeit.«
    »Gnädige Frau!« Der Hauptmann hörte gar nicht zu. »Vielleicht wünschte ich, Ernest zu heißen, bin aber genötigt, den groben Namen Ignat zu tragen – warum eigentlich? Ich wünschte, Fürst de Montbards zu heißen, bin aber nur ein Lebjadkin, das kommt von › lebed ‹ – warum? Ich bin ein Poet, gnädige Frau, ein Poet in meiner Seele, und könnte tausend Rubel von einem Verleger bekommen. Indessen bin ich genötigt, in einem Dreckeimer zu hausen, warum? Warum? Gnädige Frau, ich halte Rußland für eine Laune der Natur, für nichts weiter.«
    »Sind Sie wirklich außerstande, sich deutlicher auszudrücken?«
    »Ich kann Ihnen die Pièce ›Der Kakerlak‹ vortragen, gnädige Frau!«
    »Wa-s-as?«
    »Gnädige Frau, noch bin ich im Besitz meines gesunden Verstandes! Ich werde meinen gesunden Verstand verlieren, das ist sicher, aber noch habe ich meinen gesunden Verstand nicht verloren! Gnädige Frau, ein Freund von mir, die nobelste Erscheinung, hat eine Fabel von Krylow gedichtet, mit dem Titel ›Der Kakerlak‹, darf ich sie vortragen?«
    »Sie wollen eine Fabel von Krylow vortragen?«
    »Nein, ich möchte nicht eine Fabel von Krylow vortragen, sondern meine Fabel, meine eigene Fabel, meine Dichtung! Seien Sie versichert, gnädige Frau, und fassen Sie es nicht als Beleidigung auf, daß ich nicht zu ungebildet und zu verwahrlost bin, um nicht zu verstehen, daß Rußland den großen Fabeldichter Krylow besitzt, dem der Minister für Bildung ein Denkmal im Sommergarten errichtet hat, für das spielende Kindesalter. Sie, gnädige Frau, fragen mich: ›Warum?‹ Die Antwort findet sich auf dem Grund dieser Fabel, in feurigen Lettern.«
    »Tragen Sie Ihre Fabel vor.«
    Es war einmal ein Kakerlak,
    Zum Kakerlak geboren,
    Der plumpste einst zum Fliegenpack,
    Ins Glas, das Fliegen sich erkoren …
    »O Gott, was soll denn das?« entfuhr es Warwara Petrowna.
    »Das heißt, wenn im Sommer«, der Hauptmann überstürzte sich geradezu und gestikulierte aufgeregt mit der gereizten Ungeduld eines Autors, der in seinem Vortrag gestört wird, »das heißt, wenn sich im Sommer viele Fliegen in einem Glas versammeln, das versteht doch jeder Dummkopf, nicht unterbrechen! Nicht unterbrechen! Sie werden schon alles, alles sehen …« (Er fuchtelte immer noch mit den Händen.)
    Der Kakerlak, der brauchte Platz,
    Die Fliegen wurden bös,
    Zu voll ist unser kleines Glas!
    So klagten sie vor Zeus.
    Sie riefen Ach, sie riefen Wehe,
    Doch Nikifor , der edle Greis,
    War schon in ihrer Nähe …
    Ich habe es noch nicht vollendet, aber das macht nichts, ich gebe es mit einfachen Worten wieder«, redete der Hauptmann außer Atem. »Nikifor nimmt das Glas und schüttet, ungeachtet des Gezeters, die ganze Komödie in den Dreckeimer, die Fliegen und den Kakerlak, wohin sie längst gehörten. Aber geben Sie acht, gnädige Frau, geben Sie acht! Der Kakerlak begehrt nicht auf! Das ist die Antwort auf Ihre Frage: ›Warum?‹« rief er triumphierend. »Der Kakerlak begehrt nicht auf! Was aber Nikifor angeht, so stellt er die Natur vor«, fügte er hastig hinzu und nahm selbstzufrieden seine Wanderung durch das Zimmer wieder auf.
    Warwara Petrowna war fürchterlich aufgebracht.
    »Und was ist das für Geld, erlauben Sie die Frage, das Sie angeblich von Nikolaj Wsewolodowitsch erhalten sollten und das Sie angeblich nicht vollzählig erhalten haben, weswegen Sie sich erdreisteten, eine Person, die zu meinem Hause gehört, der Unterschlagung zu beschuldigen?«
    »Verleumdung!« brüllte Lebjadkin und hob tragisch die rechte Hand.
    »Nein, das ist keine Verleumdung.«
    »Gnädige Frau, es gibt Umstände, die dazu zwingen, eher eine Familienschande auf sich zu nehmen, als laut die Wahrheit zu verkünden. Lebjadkin wird nichts verraten, gnädige Frau!«
    Er war wie blind; er fühlte sich inspiriert; er wußte um seine Wichtigkeit; zweifellos muß er irgend etwas Ähnliches empfunden haben. Und schon regte sich in ihm der Wunsch, irgend jemand zu kränken, irgendwie zu schaden, seine Macht zu demonstrieren.
    »Läuten Sie bitte, Stepan Trofimowitsch!« bat Warwara Petrowna.
    »Lebjadkin ist schlau, gnädige Frau!« Dabei zwinkerte er mit einem üblen Lächeln. »Er ist schlau. Aber auch er hat seine Grenzen, aber auch er kennt den Vorhof der Leidenschaft! Und dieser Vorhof ist die alte Feldflasche des Husaren, die Denis Dawydow besungen hat. Und wenn er in diesem Vorhof

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