Böse Geister: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
dunkelrot an, »… daß ich nicht in dem Maße ungebildet bin, wie ich in Ihrem Salon auf den ersten Blick erscheinen mag. Wir, meine Schwester und ich, sind ein Nichts, gnädige Frau, im Vergleich zu der Pracht, die wir hier vorfinden. Zumal ich außerdem Verleumder habe. Aber was seine Reputation betrifft, ist Lebjadkin stolz, gnädige Frau, und … und … ich komme, um Dank abzustatten … Hier ist das Geld, gnädige Frau!«
Mit diesen Worten zerrte er eine Brieftasche hervor, riß einen Packen Banknoten heraus und begann, mit zitternden Fingern in einem Anfall von rasender Ungeduld darin zu blättern. Man sah ihm an, daß er den Wunsch hatte, irgend etwas möglichst schnell zu bereinigen und daß dieser Wunsch sehr dringend war; da er aber wahrscheinlich selbst fühlte, daß das umständliche Blättern ihn noch dümmer erscheinen ließ, verlor er den Rest seiner Selbstbeherrschung: Die Scheine wollten sich nicht zählen lassen, die Finger versagten den Dienst, und um die Schmach zu vollenden, entglitt ein grüner Schein der Brieftasche und segelte im Zickzack auf den Teppich.
»Zwanzig Rubel, gnädige Frau.« Plötzlich sprang er auf, den Packen immer noch in der Hand, er litt so sehr, daß ihm der Schweiß auf der Stirn stand; als er den verlorenen Schein auf dem Boden bemerkte, bückte er sich schon, um ihn aufzuheben, genierte sich aber aus irgendeinem Grund und winkte ab.
»Für Ihre Dienstboten, gnädige Frau, für den Lakaien, der ihn aufhebt; zur Erinnerung an die Lebjadkina!«
»Das kann ich auf keinen Fall zulassen«, sagte Warwara Petrowna hastig und gewissermaßen erschrocken.
»Dann …«
Er bückte sich, hob den Schein auf, lief dunkelrot an, trat plötzlich vor Warwara Petrowna und hielt ihr das abgezählte Geld hin.
»Was soll das heißen?« Jetzt war sie wirklich erschrocken und wich sogar in ihrem Sessel zurück. Mawrikij Nikolajewitsch, ich und Stepan Trofimowitsch traten jeder einen Schritt vor.
»Keine Sorge, keine Sorge, ich bin nicht verrückt, ich schwöre, ich bin nicht verrückt!« beteuerte der erregte Hauptmann nach allen Seiten.
»O doch, mein Herr, Sie haben den Verstand verloren.«
»Gnädige Frau, das ist ganz anders, als Sie denken. Ich bin natürlich ein nichtiges Glied in der Kette … O gnädige Frau, prachtvoll sind Ihre Gemächer, aber armselig sind sie bei Marja Unbekannt, meiner Schwester, geborener Lebjadkina, die wir aber einstweilen Marja Unbekannt nennen wollen, einstweilen, gnädige Frau, einstweilen, denn Gott der Herr selbst wird das nicht ewig dulden! Gnädige Frau, Sie haben ihr zehn Rubel geschenkt, und sie hat sie angenommen, aber nur, weil das Geld von Ihnen kam! Hören Sie, gnädige Frau! Von niemand sonst auf der ganzen Welt wird diese Marja Unbekannt etwas annehmen, denn ihr Großvater, ein Stabsoffizier, der im Kaukasus vor Jermolows Augen fiel, wird sich im Grab umdrehen, aber von Ihnen, gnädige Frau, von Ihnen nimmt sie alles an. Sie wird mit der einen Hand alles von Ihnen annehmen, aber mit der anderen Ihnen ganze zwanzig Rubel zurückgeben, als Spende für eines der Wohltätigkeitskomitees in unserer Metropole, woselbst Sie, gnädige Frau, als Mitglied eingeschrieben sind … Zumal Sie persönlich, gnädige Frau, in den ›Moskauer Nachrichten‹ inseriert haben, daß ein Spendenbuch des Wohltätigkeitskomitees hier, in unserer Stadt, bei Ihnen ausliegt und daß jeder sich darin eintragen darf …«
Der Hauptmann verstummte plötzlich, er atmete schwer, wie nach einer vollbrachten großen Tat. Alles, was das Wohltätigkeitskomitee betraf, war höchstwahrscheinlich im voraus einstudiert, vielleicht ebenfalls von Liputin redigiert. Er schwitzte immer stärker; der Schweiß perlte buchstäblich auf seinen Schläfen. Warwara Petrowna fixierte ihn mit durchdringendem Blick.
»Dieses Buch«, sagte sie streng, »befindet sich immer unten bei meinem Portier, und Sie können dort Ihre Spende eintragen, wenn Sie es wünschen. Daher ersuche ich Sie, Ihr Geld einzustecken und nicht länger damit in der Luft herumzufuchteln. So. Außerdem bitte ich Sie, umgehend Ihren alten Platz einzunehmen. So. Ich bedaure, daß ich mich hinsichtlich Ihrer Schwester geirrt und ihr ein Almosen gereicht habe, während sie in Wirklichkeit so vermögend ist. Ich kann nur nicht begreifen, warum sie nur aus meiner Hand etwas annehmen kann, während sie von anderen unter keinen Umständen etwas annehmen würde. Sie haben das auf eine solche Weise betont, daß ich
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