Böser Engel
psychedelische Droge. Dann kam Tiny und fragte: »He, George, wie wär’s mit ’nem Spielchen?«
Wir würfelten eine Weile und fingen dann an zu pokern. Ich war so zugedröhnt, dass Tiny andauernd gewann. Helen saß hinten auf einer Koje und sah wütend zu, wie Tiny mich ausnahm. »Tiny, du verdammter Bastard!«, dachte sie. »Du weißt genau, dass er voll bis unters Dach ist. Trotzdem spielst du mit ihm!«
Als Tiny sie mit scharfem Blick ansah, merkte sie, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte. »Klar spiele ich mit ihm«, sagte er und schaufelte einen Pott zusammen. Wenn Blicke Schießpulver gewesen wären, hätte die Explosion beide weggepustet.
Helen war außer sich, weil es mir nichts auszumachen schien, 1500 Dollar zu verlieren. »Wie kann ein Mann, der dir Geld abgeknöpft hat, dein Kumpel sein?«, fragte sie mich später.
»Das verstehst du nicht«, erklärte ich ihr. »Lieber lass ich mir Geld von einem Bruder abnehmen als von einem anderen. Außerdem war das keine große Sache.«
Wer eine Menge Geld ohne Wimpernzucken verlor und ausgab, hatte Format, ebenso ein Angel, der scharfe Frauen aufgabelte und um sich scharte. In unserem System der natürlichen Auslese hätte die ideale Frau vielleicht die Brust von Mae West, den Hintern von Brigitte Bardot und das Gesicht eines Engels gehabt. Nur wenige bringen all dies mit, aber unsere Mitglieder rissen bisweilen erstaunlich gut aussehende Frauen auf. Frauen, die Männer mit narbigen, vom Wind gegerbten, schnurrbärtigen Gesichtern ausdrucksvoll fanden. Frauen, die tätowierte Arme, dick wie Baumstämme, für maskulin und magere, von unregelmäßigen Mahlzeiten, langen Nächten und Drogen ausgezehrte Leiber für sexy hielten. Frauen, die über absonderliche Kleider und öliges Haar hinwegsahen und die Macht des Totenkopfs und dessen Träger bewunderten.
Sonnys Liebesleben war ein gutes Beispiel dafür. Er war ein dürrer, 1,75 Meter großer Kerl mit ausladendem Schnurrbart und Geheimratsecken, der aussah, als habe jahrelanges Fahren im Wind sein Haar nach hinten gekämmt. Einerlei, wie sehr er sich vollstopfte, er kam nie über 68 Kilo hinaus, weil er hyperaktiv war und tagelang nicht schlief. Seine Augenlider waren aufgedunsen, sein Mund arrogant verkniffen. Im rechten Ohrläppchen trug er einen Ring. Seine Füße waren Quadratlatschen im Vergleich zu seiner Körpergröße, aber seine Ausstrahlung machte sein Aussehen mehr als wett. Er war selbstsicher und hatte eine gebieterische Stimme und irgendwie auch ein charmantes Lächeln. Sein Machogehabe erinnerte an Jesse James, aber es passte so perfekt zu ihm, dass niemand es für vorgetäuscht hielt. Er schien alles zu bekommen, was er haben wollte: den Respekt seiner Brüder – und Frauen. Nachdem seine Frau Elsie 1967 an den Folgen einer eigenhändigen Abtreibung gestorben war, begegnete er Sharon Gruhlke, die im selben Jahr den Schönheitswettbewerb »Maid of Livermore« gewonnen hatte. Das grünäugige, blonde Cowgirl war erst 19 Jahre oder so, aber sehr unternehmungslustig. Also wurde sie Sonnys Freundin und zog als First Lady im Reich der Angels in seinen Bungalow. Jahre später wurde sie Mrs. Barger.
Nicht jede Frau wurde wie eine Königin behandelt, aber wir statteten unsere Ehefrauen so aus, dass ihre erotischen Vorzüge zur Geltung kamen. Helen hatte die attraktive Körbchengröße DD, als sie Mitte zwanzig war, und ich schickte sie immer wieder los, um neue Kleider zu kaufen. Manchmal stapfte ich sogar selbst mit ihr durch teure Geschäfte und zeigte ihr, was sie anprobieren sollte. Der Preis spielte keine Rolle. Vierzig Dollar für einen Badeanzug waren billig, wenn das gute Stück die Jungs während eines Ausflugs an einen See verzückte, und es störte mich nicht, wenn Motorenöl oder Spritzer aus einer Bratpfanne eine Dreißig-Dollar-Bluse nach einmaligem Tragen ruinierten. Ich wollte, dass sie aufreizend angezogen war, egal ob sie kochte, putzte oder bei mir mitfuhr. Man konnte ja nie wissen, wann ein Dealer oder Kunde hereinschneite.
Das ist Helens Meinung dazu:
Er mochte es, wenn ich eng anliegende und knappe Kleider trug. Badeanzüge, kurze Tops und Hotpants musste ich bei Frederick in Hollywood kaufen. Meist gaben wir an einem Nachmittag drei- bis vierhundert Dollar aus. Ich schaute auf die Preisschilder, er aber nie.
Im Grunde war ich nur ein Schmuckstück, das er benutzte. George zog mich so an, dass es zu meiner Rolle passte, und wenn ihm nicht gefiel, was er sah,
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