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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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sie überschreiten? Er zögert und sagt sich dann, dass Emilia ja schließlich ohnehin fast gestorben wäre bei dem Crash. Wenn nicht so schnell der Notarzt da gewesen wäre, hätte sie noch auf der Straße ins Grass gebissen. Und schließlich war alles ihre eigene Schuld. Warum trägt sie auch keinen Helm? Wie kann man nur so dämlich sein? Wenn er jetzt ein bisschen nachhilft, vollzieht er doch eigentlich nur das, was das Schicksal für Emilia vorgesehen hat. Es war lediglich verdammtes Glück gewesen, dass sie es vorerst doch geschafft hatte. Aber mit welcher Berechtigung haben immer andere das Glück? Jetzt ist er mal dran!
    Er verlässt die Toilette. »Sorry«, flüstert er gegen die geschlossene Tür, als er an Emilias Zimmer vorbeigeht, um auf seiner Station seiner Arbeit nachzugehen.
    Beim Bettenmachen und beim Medikamenteverteilen wühlt er in seinen Gedanken. Wo könnte er Lotta verstecken? Ein Hotel wäre gut, aber je nachdem, wie lange sie dableiben muss, zu teuer. Außerdem muss man sich da ausweisen können.
    Und plötzlich kommt ihm das Schiff in den Sinn. Er grinst breit. Das ist die perfekte Lösung!
    Vor ein paar Monaten hatte ihn der Chefarzt der Kardiologie in der Kantine angesprochen. Ob er kurz was für ihn erledigen könne. Dabei hatte er Julius hundert Euro in die Hand gedrückt. Julius hatte nur stumm genickt und wer weiß was erwartet. Aber es war ganz harmlos nur darum gegangen, eine Flasche Champagner, Obst und noch ein paar eingeschweißte Lebensmittel auf die kleine Jacht des Chefarztes zu bringen. Julius war es egal, ob der Doktor sich da später mit einer Frau oder alleine dort vergnügen wollte. Er hatte sich über das Geld gefreut. Und aus einer Laune heraus hatte er sich die beiden Schlüssel zur Kabine nachmachen lassen. Er war nie wieder da gewesen, aber es war irgendwie ein gutes Gefühl, den Schlüssel zu einer Jacht zu besitzen. Und jetzt sollte sich die komische Laune auszahlen. Es ist das ideale Versteck. Das Boot liegt ganz am Ende des kleinen Hafens, und Julius weiß, dass der Chefarzt zurzeit auf einer Vortragsreise in Australien ist. In dem Schiff kann er Lotta problemlos verstecken. Da hat sie sogar eine Toilette, und es gibt nur winziges Fenster, durch das sie garantiert nicht türmen kann. Wenn sie denn wollte.
    Â»Aua.« Die alte Frau vor ihm im Bett schreit auf. Er war so in Gedanken, dass er den Verband zu schroff abgezogen hat. Blut und Eiter fließen an dem Alte-Frauen-Bein runter.
    Â»Entschuldigung. Tut mir leid«, murmelt Julius sofort. Und plötzlich hält er inne. Was macht er hier eigentlich noch? In ein paar Tagen wird er das Land für immer verlassen. Warum arbeitet er hier noch? Er hat hier nur noch einen einzigen Job zu erledigen, und der heißt: Emilia.

Ein kalter Plan
    J ulius meldet sich krank, verlässt Hals über Kopf die Station. Mit dem Fahrstuhl fährt er in den Keller, setzt sich auf einen Wäschesack. Er muss jetzt nachdenken.
    1. Er braucht Geld. Otto hat angerufen. Alles ist fertig, die Übergabe kann stattfinden. Auf dem Konto hat Julius zwar knapp siebentausend Euro. Aber Lotta und er können nicht mit nur zweitausend Euro ein neues Leben anfangen. Wer weiß, was die Überfahrt mit dem Schiff kosten wird. Und für die erste Zeit im neuen Leben braucht er ja auch Startkapital. Er will Lotta schließlich etwas bieten. Sie soll nicht noch mal wie eine Obdachlose in einem alten Haus auf kalten Steinen schlafen müssen.
    2. Er muss Lotta auf die Jacht bringen. So unauffällig wie möglich. Am besten also in der Nacht.
    3. Er muss sich um Emilia kümmern. Das bereitet ihm am meisten Kopfzerbrechen. Wie soll er es machen? Der Giftschrank ist verschlossen. Und so was wie »Luft in die Adern spritzen«, das kann er nicht. Im Medikamentenschrank der Kinderstation kennt er sich am besten aus. Er weiß genau, was da offen zugänglich ist. Ritalin zum Beispiel. Sehr beruhigende Wirkung. Aber wohl kaum beruhigend genug. Man müsste es mit einem anderen Medikament kombinieren.
    Er macht die Augen zu, hat eine Idee. Ganz langsam steht er auf, reckt sich. So müsste es gehen.
    Er radelt auf direktem Weg nach Hause. Ganz hinten im Badezimmerschrank steht die Kiste, die er sucht. Da ist alles Mögliche drin. Duschgel-Proben, ein Labello, Pflaster, ein Ring (den seine Mutter ihm mal geschenkt hat), eine alte Sonnenbrille und

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