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Boeser Traum

Boeser Traum

Titel: Boeser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Schlieper
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fühlt sich wie ein Marathonläufer, dem kurz vor dem Ziel eine Eisenstange vor die Knie geschlagen wird.
    Dieses Mädchen wird ihm alles kaputt machen. Sie wird sein Leben zerstören. Hat er denn nicht auch das Recht auf ein glückliches Leben? Endlich? Nach all den Horrorträumen, nach den unendlichen schlaflosen Nächten, in denen er nur die fürchterlichen Geräusche gehört hat?
    Er schließt sich auf der Toilette ein, setzt sich ratlos auf den geschlossenen WC-Deckel. Es sollte endlich ruhig werden in seinem Kopf. Er wollte die Vergangenheit hierlassen mit ihrem ekeligen Geschmack, mit den fiesen Gerüchen. Seine Zukunft soll jetzt schon wieder vorbei sein? Wut steigt in ihm hoch. Lotta ist seine Chance, endlich auch mal glücklich zu sein. Er hat so viel ertragen in den letzten Jahren. Nicht nur seine eigenen schlimmen Fantasien. Er ist gehänselt worden in der Schule. Nein, es war wohl mehr als hänseln. Sie haben ihn gequält. Schnell hatten die Mitschüler gemerkt, dass mit diesem Julius was nicht stimmte, wie verstört er auf Mädchen reagierte. Als auf den Partys das erste Mal das Licht ein bisschen runtergedreht, die Musik kuscheliger wurde und die ersten Pärchen sich fanden, floh er jedes Mal. Er beteiligte sich nie an Gesprächen darüber, welches Mädchen in der Klasse den größten Busen und wer es wohl schon mal gemacht hatte. Irgendwann hatten ein paar Mitschüler Julius dann nach dem Schwimmen in die Mädchenumkleide geschoben und von außen die Tür zugehalten. Er war panisch geworden. Ein paar der nackten Mädchen auch, ein paar aber machten sich einen Spaß daraus, vor ihm zu posen. Nackt. Als schließlich die Schwimmlehrerin in die Kabine gekommen war, hatte es zusätzlich noch einen Abriss gegeben.
    Immer wieder hatte Julius rausgerissene Bilder aus Porno-Magazinen in seiner Tasche und zwischen seinen Buchseiten gefunden. Irgendwann hatten sich alle darauf geeinigt, dass er wohl schwul sein müsse. »Schwanzlutscher« war noch eine der harmloseren Beschimpfungen, die er sich anhören musste. Er hatte alles ertragen und sich immer mehr in sich verkrochen.
    Seine Mutter hatte damals schon in Spanien gelebt. Sie hatte mit ihrem damaligen Freund eine kleine Bar an der Küste aufmachen wollen. Sie hatte ihm, Julius, begeistert davon erzählt, von dem Blau des Himmels, des Wassers, von der Luft, von ihrer neuen Zukunft. Von seiner Zukunft war nur kurz die Rede gewesen. Er solle seine Schule in Deutschland beenden und dann nachkommen. Er hatte genickt dazu, hatte seine Schule abgeschlossen und war dann nicht nach Spanien gekommen. Seine Mutter war traurig gewesen, aber nicht sehr. Es sei ohnehin momentan etwas ungünstig. Die Bar war schon den Bach runtergegangen, der Typ war auch auf und davon. Aber sie hätte schon ein neues Projekt, hatte seine Mutter euphorisch erzählt. Er hatte nicht gefragt, ob sie einen neuen Mann oder einen neuen Job meinte.
    Er hatte sich immer seltener bei ihr gemeldet. War oft nicht drangegangen, wenn ihre Handynummer auf seinem Display aufleuchtete. Er wollte vergessen. Ganz tief hatte er sich eingebuddelt, in seiner eigenen Welt gelebt. Lotta hatte die Tür zu seiner Welt geöffnet, so wie er die Kellertür zu ihr aufgestoßen hatte. Er will nicht wieder in seine eigenen Abgründe geschubst werden. Er kann es nicht zulassen. Er wird es nicht zulassen! Er braucht einen neuen Plan.
    Er öffnet die Sicherheitsnadel, die er immer in der Hosentasche hat.

Ein Stich. Ein Ventil
    V ersteckt und ganz langsam sticht er sich die Spitze in den Handballen. Er weiß, dass manchmal nur der Schmerz hilft.
    Um Bilder zu verscheuchen oder um sich wach zu machen.
    Ihm ist klar: Emilia wird ihren Eltern von Lotta erzählen. Und wenn sie sich erinnert, auch, dass sie Julius von dem Schlüssel erzählt hat. Kennt sie wohl seinen Namen? Oder wird sie nur von dem Pfleger reden?
    Er sticht noch mal zu.
    Lotta muss aus dem Keller verschwinden. Sie kann da nicht bleiben, bis er einen Pass für sie hat und sie abhauen können.
    Emilia wird wieder einschlafen müssen. Und weil er ihr jetzt nicht mehr so einfach regelmäßig Medikamente verabreichen kann, wird sie für immer einschlafen müssen.
    Er zuckt bei dem Gedanken zusammen. Plant er gerade einen Mord? Er hat das Gefühl, neben sich zu stehen, sich selber zuzusehen. Er fühlt, dass er an einer Schwelle steht. Wird er

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