Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
auch jetzt zusammengefunden. Hinter den hohen Zedern erstrahlte der Turm der Burgruine im Licht der Scheinwerfer vor dem dunkelblauen Abendhimmel, an dem die ersten Sterne schwach leuchteten. Ein friedlicher, unbeschwerter Abend. Pia war froh, dass sie hergekommen war. Sie kam in ihrer Freizeit viel zu wenig unter Menschen.
»Erzähl mir was von dir«, forderte Pia ihre alte Klassenkameradin auf. »Was machst du so?«
»Ich habe Lehramt studiert, bin aber nach zwei Jahren an einer Grundschule in Berlin in den Entwicklungsdienst gegangen.«
»Als Lehrerin?«, fragte Pia neugierig.
»Zuerst ja. Aber dann wollte ich in die Krisengebiete. Wirklich etwas bewegen. So bin ich bei Doctors worldwide gelandet. Als Logistikerin. Und da war ich in meinem Element.«
»Was hast du da gemacht?«
»Organisation. Transport von Medikamenten und dem medizinischen Material. Ich war zuständig für die Kommunikationstechnik, für Unterbringung und Verpflegung der Mitarbeiter. Zollabfertigung, Routenplanung, Fuhrpark, Instandhaltung und Bewirtschaftung der Camps, die Sicherheit des Projekts und Kontakt zum einheimischen Personal.«
»Wow. Das klingt aufregend.«
»Ja, das war es auch. Üblicherweise finden wir katastrophale Bedingungen vor, null Infrastruktur, korrupte Behörden, verfeindete Volksstämme. In Äthiopien habe ich vor sechs Jahren dann auch meinen Mann kennengelernt. Er ist Arzt bei DW .«
»Und wie kommst du jetzt wieder ausgerechnet hierher?«
Emma klopfte leicht auf ihren Bauch.
»Als ich letzten Winter feststellte, dass ich schwanger war, bestand Florian, das ist mein Mann, darauf, dass ich mit Louisa nach Deutschland gehe. Schließlich gilt eine Schwangerschaft in meinem Alter als Risiko. Ich lebe bei seinen Eltern in Falkenstein. Vielleicht hast du den Namen meines Schwiegervaters schon einmal gehört: Dr. Josef Finkbeiner. Er hat vor vielen Jahren den Verein Sonnenkinder e. V. gegründet.«
»Klar, davon habe ich schon gehört.« Pia nickte. »Diese Einrichtung für ledige Mütter und ihre Kinder.«
»Genau. Eine wirklich phantastische Sache«, bestätigte Emma. »Wenn das Baby erst da ist, kann ich dort auch etwas mehr tun. Im Moment helfe ich nur ein bisschen bei der Organisation für die große Feier zum achtzigsten Geburtstag meines Schwiegervaters Anfang Juli.«
»Und dein Mann ist immer noch in irgendeinem Katastrophengebiet?«
»Nein. Er ist vor drei Wochen aus Haiti gekommen und hält jetzt für DW überall in Deutschland Vorträge. Ich sehe ihn zwar auch nicht wirklich oft, aber er ist wenigstens an den Wochenenden zu Hause.«
Ein Kellner kam mit einem Tablett, Emma und Pia nahmen sich jeweils ein Glas Mineralwasser.
»Hey, es ist echt schön, dich wiederzusehen« Pia hob lächelnd das Glas. »Miri wird sich auch freuen, wenn sie hört, dass du wieder im Land bist.«
»Wir könnten uns doch mal zu dritt treffen. Mal ein bisschen über alte Zeiten plaudern.«
»Gute Idee. Warte, ich geb dir meine Karte.« Pia griff in ihre Tasche und kramte nach einer Visitenkarte. Dabei bemerkte sie, dass ihr stumm geschaltetes Handy vibrierte und leuchtete.
»Entschuldige«, sagte sie und reichte Emma ihre Karte. »Da muss ich leider drangehen.«
»Dein Mann?«, erkundigte sich Emma.
»Nein. Mein Job.«
Eigentlich hatte Pia heute frei, aber wenn es einen Verdacht auf ein Tötungsdelikt gab und die Kollegen von der Bereitschaft einem anderen Fachkommissariat angehörten, spielte das keine Rolle. Es war so, wie sie es befürchtet hatte: In Eddersheim war ein totes Mädchen gefunden worden.
»Ich komme hin«, sagte sie zum BvD, der schon vor Ort war. »Halbe Stunde. Schick mir die genaue Adresse bitte noch mal als SMS .«
»Du bist bei der Kriminalpolizei?«, fragte Emma erstaunt und hielt die Visitenkarte hoch. »Kriminaloberkommissarin Pia Kirchhoff.«
»Seit heute sogar Kriminal haupt kommissarin.« Pia grinste schief.
»Was wollen die jetzt um diese Uhrzeit von dir?«
»Es gab eine Leiche. Und dafür bin leider ich zuständig.«
»Mordkommission?« Emmas Augen wurden groß. »Mensch, das ist ja aufregend. Hast du auch einen Revolver?«
»Eine Pistole. Und aufregend ist es nicht wirklich. Meistens eher frustrierend.« Pia verzog das Gesicht und stand auf. »Ich erspare mir jetzt die große Verabschiedungsrunde. Wenn einer nach mir fragt …«
Sie zuckte die Schultern. Emma erhob sich ebenfalls.
»Weißt du was, ich lade dich zu unserem Sommerfest ein. Dann sehen wir uns wenigstens wieder. Und
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