Böser Wolf: Kriminalroman (German Edition)
erklärte der uniformierte Kollege.
»Aha.« Pia blickte sich um.
Ein Stück weiter vorne standen Einsatzfahrzeuge von der Feuerwehr, zwei Rettungswagen mit stumm blinkendem Blaulicht, daneben ein Streifenwagen, zwei Zivilfahrzeuge und Hennings silberner Mercedes Kombi. Dahinter war ein Waldstück hell erleuchtet. Sie umrundete den sandigen Beachvolleyballplatz und warf einen kurzen Blick in die offen stehende Seitentür des einen Rettungswagens, in dem eine junge dunkelhaarige Frau versorgt wurde.
»Sie hat die Leiche gefunden«, erklärte einer der Rettungssanitäter. »Steht unter Schock und hat zwei Promille Alkohol im Blut. Der Doc ist unten am Fluss und versorgt die andere Schnapsdrossel.«
»Was war da los? Komasaufen?«
»Ich weiß nicht.« Der Sanitäter zuckte die Schultern. »Die junge Dame hier ist laut Ausweis dreiundzwanzig. Eigentlich ein bisschen alt für so was.«
»Wo muss ich hin?«
»Den Trampelpfad entlang, runter zum Fluss. Wahrscheinlich haben sie das Tor mittlerweile aufgekriegt.«
»Danke.« Pia ging weiter. Der Pfad zog sich am Fußballplatz entlang. Man hatte die Flutlichtanlage eingeschaltet, und auf der anderen Seite des Maschendrahtzaunes drängten sich noch mehr Neugierige als vorne an der Absperrung. Mit den ungewohnt hohen Absätzen konnte Pia kaum richtig laufen. Die grellen Scheinwerfer der Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge blendeten sie, so dass sie nicht sehen konnte, wo sie hintrat. Vor einem offenstehenden Eisentor standen Feuerwehrleute und packten ihren Schneidbrenner ein.
Zwei Sanitäter kamen ihr in der Dunkelheit mit einer Trage entgegen, der Notarzt lief neben ihnen her und hielt eine Infusionsflasche hoch.
»Guten Abend, Frau Kirchhoff«, grüßte er. Man kannte sich von ähnlichen Gelegenheiten zu ähnlich unchristlichen Uhrzeiten.
»Guten Abend.« Pia warf einen Blick auf den Jungen. »Was ist mit ihm?«
»Lag bewusstlos neben der Leiche. Stark alkoholisiert. Wir versuchen, ihn wach zu kriegen.«
»Okay. Wir sehen uns später.« Sie stakste den Pfad entlang, neugierig begafft von den Schaulustigen hinter dem Zaun des Sportplatzes, und verfluchte im Stillen die ungewohnten Slingpumps.
Ein paar Meter weiter begegnete sie zwei uniformierten Beamten und Kollege Ehrenberg vom Einbruch, der heute Bereitschaftsdienst und sie angerufen hatte.
»Guten Abend«, sagte Pia. »Könnt ihr bitte dafür sorgen, dass die Leute hier vom Sportplatz verschwinden? Ich will keine Fotos oder Filme von einer Leiche bei Facebook oder YouTube sehen.«
»Geht klar.«
»Danke.« Pia ließ sich von Ehrenberg kurz die Situation schildern, dann ging sie weiter und dachte neidisch an ihre Kollegen, die jetzt gemütlich ihren Feierabend genossen. Von Ferne vernahm sie erregte Stimmen und ahnte, was dort los war. Nach fünfzig Metern hatte sie die hell erleuchtete Stelle am Flussufer erreicht. Am Fuße einer steilen Böschung standen Pias Exmann Dr. Henning Kirchhoff und Christian Kröger, Chef des Erkennungsdienstes der RKI Hofheim, bekleidet mit weißen Schutzoveralls im grellen Licht der aufgestellten Scheinwerfer wie zwei Marsmenschen auf einer Seebühne und bezeichneten sich gegenseitig als Dilettanten und Pfuscher, der eine mit ätzender Überheblichkeit, der andere mit heißblütigem Zorn.
Auf dem Fluss hatte direkt hinter dem Schilf ein Schiff der Wasserschutzpolizei beigedreht und tauchte den Uferstreifen mit einem grellen Scheinwerfer vom Wasser aus in taghelles Licht.
Drei Kollegen von der Spurensicherung verfolgten die heftige Auseinandersetzung aus gebührender Entfernung mit einer Mischung aus Resignation und Geduld.
»Hey, Frau Hauptkommissarin. Schickes Kleid«, bemerkte einer von ihnen und stieß einen anerkennenden Pfiff aus. »Und tolle Beine!«
»Danke. Worum geht’s da?«, erkundigte sich Pia.
»Das Übliche halt. Der Chef behauptet, der Doc würde vorsätzlich Spuren vernichten«, sagte ein anderer und hob seine Kamera. »Fotos haben wir aber schon gemacht.«
Pia machte sich an den Abstieg und hoffte, sie würde nicht vor aller Augen umknicken und direkt in den Brennnesseln landen, die meterhoch links und rechts des kleinen Pfades wucherten.
»Das darf doch wohl nicht wahr sein!«, schrie Kröger entnervt, als er sie erblickte. »Jetzt trampelst du auch noch mitten durch die DNS -Spuren! Erst Ehrenberg, der Schlaumeier, dann der verdammte Leichenaufschneider, dann der Notarzt und jetzt auch noch du! Warum könnt ihr nicht wenigstens ein bisschen Rücksicht
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