Böses Blut: Ein Vampir-Thriller (Spider) (German Edition)
ließ. Ich hatte vorgehabt, morgen Abend loszufahren, ohne Parker, aber ganz offensichtlich würde ich sie nicht abschütteln können, nun da sich ihre kleine Schwester in Gefahr befand. Shasta lag etwa neun Stunden von Seattle entfernt. Wenn wir uns sofort auf den Weg machten, konnten wir morgen früh dort sein, und ich könnte tagsüber schlafen.
Ich nahm meine Schlüssel. »Machen wir uns auf den Weg.«
» Auf den Weg wohin?«
» Nach Cloudland – ins Land der Wolken.«
10. Kapitel
Parker widersprach nicht.
Während ich ein paar Sachen in meine Reisetasche stopfte, erzählte sie mir von ihrer Mutter. Und die Leute bezeichne ten mich als Monster!
Augenscheinlich hatte Papa einen immensen Einfluss auf seine Frau . Sie war der wahre Tyrann des Hauses. In ihrer Kindheit hatte Parker so einiges an Prügel einstecken müssen und anscheinend nicht ein Fünkchen Freiheit gehabt. Doch ihre Mutter war nicht immer so gewesen. Die Veränderung war erst in den letzten sieben oder acht Jahren eingetreten, was – welch Zufall – etwa zu der Zeit war, als ihr Vater seine kleine Sekte gegründet hatte.
Nun da ihre Mutter ausgeschaltet war – und das war sie wohl immer nach ihrer abendlichen Medikamentendosis, die eigentlich ihren Kater ruhigstellen sollte –, war Parker dazu übergegangen, mithilfe der Stadtbusse von A nach B zu kommen.
Sie gab es nicht zu, zumindest noch nicht, doch ich war mir sicher, dass sie mich die ganze Woche über verfolgt hatte. Ich wusste, dass sie kein Auto hatte, aber das hieß ja nicht, dass ihre Freundinnen sie nicht fahren konnten. Das bedeutete, dass nun auch eine ihrer Freundinnen wusste, wo ich wohnte. Ich würde herausfinden müssen, wer diese Freundin war. Ich hatte meine Methoden, hoffte aber, dass Parker mir irgendwann von selbst reinen Wein einschenken würde. Und wenn ihre Freundin vertrauenswürdig war und sich sowieso lieber um ihre eigenen Angelegenheiten kümmerte, dann würde es keine Probleme geben. Wenn die Freundin jedoch gern schnüffelte, hätten wir ein Problem.
Oder besser gesagt: Sie hätten ein Problem. Und zwar ein ziemlich großes.
Für den Moment ließ ich die Sache auf sich beruhen. Es gab dringendere Dinge, um die wir uns kümmern mussten. Mit meiner Tasche verließen wir das Haus. Es war kurz vor dreiundzwanzig Uhr und ich würde ganz schön auf die Tube drücken müssen, wenn wir unser Ziel vor Sonnenaufgang erreichen und in ein hübsches Hotel mit noch hübscheren Vorhängen einchecken wollten. Dicken Vorhängen, die mir die Sonne vom Leib hielten.
Parker beschwerte sich nicht, dass sie keine Klamotten mitnehmen konnte. Sie fragte nicht einmal, ob sie noch einmal ins Bad durfte. Stattdessen saß sie mit grimmig-entschlossenem Blick auf dem Beifahrersitz des Mustangs, während ich durch die hellen Lichter von Downtown Seattle in südliche Richtung davonbrauste.
* * *
Pa rker schlief fast die ganze Zeit.
Ich hingegen war hellwach und fühlte mich lebendiger als je zuvor. Ich fragte mich, was uns wohl in Mount Shasta erwarten würde. Dass ihr Vater etwas Ungewisses und Schändliches im Schilde führte, war Tatsache. Die Beweise lagen auf der Hand. Schließlich gab es eine Leiche. Laut Parker war sie blutleer gewesen.
Ich betrachtete sie, während wir durch die tiefen Canyons fuhren, die nach Mount Shasta führten. Sie schlief immer noch, den Kopf gegen den Gurt gelehnt. Nicht besonders bequem, aber es schien ihr nichts auszumachen. Draußen war es stockdunkel und eigentlich hätte ich sie nicht sehen können, aber ich konnte es. Für mich war die Nacht lebendig, voller Lichter und Farben, die für die Augen der Sterblichen unsichtbar waren. Ich konnte jeden einzelnen ihrer Gesichtszüge erkennen. Sie war ein hübsches, junges Mädchen. Zu jung für mich, aber eines Tages würde sie irgendeinen Teenagerjungen zum glücklichsten Idioten der Welt machen.
Hätte sie gewusst, wer – oder was – neben ihr saß, hätte sie sicher nicht so friedlich geschlafen. Doch wer weiß. Wenn man von Monstern aufgezogen worden war, und ihr Vater schien nun einmal direkt einem Dean-Koontz-Roman entsprungen zu sein, dann war ein ganz normaler Nullachtfünfzehn-Vampir wie ich vielleicht gar kein Problem.
Es gab eine Zeit in der Vergangenheit, als Parker um ihr Leben hätte Angst haben müssen. Doch mittlerweile hatte ich so etwas Ähnliches wie Kontrolle über die Kreatur in mir gewonnen. Ich musste nicht töten, um zu trinken, und diese
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