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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Wie hätte Wayne reagiert? Hätte er ihn bewußtlos geschlagen? Ihm gedroht? Hätte er vielleicht sogar versucht, ihn zu trösten? Der einzige, den man noch fragen konnte, war Wayne Jennings selbst, und Paul Hjelm würde genau das tun, das gelobte er sich und der Welt.
    Denn er war sich immer sicherer, daß, wenn Vater und Sohn ' in Schweden aufeinandergetroffen waren, der Vater gesiegt hatte. Er hatte seinen Sohn ein zweites Mal getötet.
    Sie flogen mit dem Hubschrauber zurück nach Louisville und erreichten gerade eine Maschine zurück nach New York. Alles hatte nur wenige Stunden gedauert. Es war Nachmittag auf dem John F. Kennedy–Flughafen, ein langer, heißer Nachmittag. Sie fuhren im Taxi zurück zum FBI–Hauptquartier. Jerry Schonbauer saß da und ließ die Beine baumeln und starrte auf einen Papierstapel. Es war, als sei nichts geschehen.
    Aber es war etwas geschehen.
    »Gutes Timing«, sagte Schonbauer. »Ich habe gerade eine vorläufige Tatortuntersuchung hereinbekommen. Inklusive einer Rekonstruktion des verbrannten Briefs. Das ist alles von Interesse, der Rest der Untersuchung erbrachte absolut nichts. Tabula rasa. Hier für jeden ein Exemplar des Briefs. Bitte sehr.«
    Das Datum war lesbar: 6. April 1983. Fast ein Jahr nach Wayne Jennings' vorgetäuschtem Tod. Es war ein Brief, den er nicht hätte schreiben müssen, vermutlich auch nicht hätte schreiben dürfen. Daß er es dennoch getan hatte, ließ einen menschlichen Zug aufscheinen, den Hjelm eigentlich nicht sehen wollte.
    »Wann nahm seine Frau sich das Leben?« fragte er.
    »Sommer dreiundachtzig«, sagte Larner. »Es dauerte offenbar ein paar Monate, bis sie die Tragweite des Ganzen erkannte.«
    Der Umschlag war bei den verbrannten Resten gewesen. Der Poststempel »Stockholm« war deutlich lesbar. Die Adresse war die der Farm; er war anscheinend ziemlich sicher, daß das FBI die Briefe seiner Witwe ein Jahr nach seinem Tod nicht mehr lesen würde.
    Der Text, soweit er rekonstruiert werden konnte (mit den Kommentaren der Techniker in Klammern), lautete:
    »Dear Mary Beth. Wie du merkst, bin ich nicht tot. Ich hoffe, einmal erklären zu k [Lücke, verbrannt] in einem anderen Leben sehen. Vielleicht ist es in einigen Jahren m [Lücke, verbrannt] absolut notwendig gewesen. Wir waren gezwungen, mir diese Mask [Lücke, verbrannt] daß Du mit diesem Wissen leben k [Lücke, verbrannt] uckymörder bin ich und bin es doch ni [Lücke, verbrannt] jetzt unter dem Namen [Lücke, ausgeschnitten] icht, daß es Lamar bessergeht ohne mich, ich war nicht immer [Lücke, verbrannt] ßt unbedingt sofort diesen Brief verbr [Lücke, verbrannt] Immer Dein W.«
    »Lamar wollte uns den Namen nicht verraten«, sagte Larner und legte den Brief nieder. »Den Rest sollten wir vielleicht erfahren, es kommt darauf an, wie ernst man diese mißglückte Verbrennungsaktion nimmt. Aber den Namen wollte er uns nicht geben. Den hat er herausgeschnitten, bevor er den Brief angezündet hat.«
    »Liebevoller Ehemann«, sagte Kerstin.
    »Was heißt das hier eigentlich?« sagte Hjelm. ›»Der Kentuckymöder bin ich und bin es doch nicht‹: Soll man das so verstehen? Und: ›Wir waren gezwungen, mir diese Maskierung zu geben.« Wir?«
    »Berufsmörder in jemandes Dienst«, sagte Lanier. »Plötzlich, gegen Ende der siebziger Jahre, wurde es erforderlich, sehr viele Menschen zum Sprechen zu bringen, Ingenieure, Forscher, Journalisten. Und einen ganzen Kader von Unidentifizierten, wahrscheinlich Ausländer. Man berief seinen Experten ein, der möglicherweise seit dem Vietnamkrieg auf Eis gelegen hatte. Aus irgendeinem Grund sah man sich gezwungen, das Ganze als Taten eines Wahnsinnigen zu maskieren. Der Serienmörder wurde geboren. Und seine Nachfolger waren viele.«
    Es lag in der Luft. Keiner sprach es aus.
    Schließlich räusperte sich Hjelm: »CIA?«
    »Dieser Seite der Medaille müssen wir uns annehmen«, seufzte Larner. »Das wird nicht leicht.«
    Kerstin und Paul blickten sich an. Die gute alte KGB–Spur war doch nicht ganz so weit hergeholt gewesen. Es war die große Politik. Nur daß das KGB die Opfer stellte. Vielleicht.
    »Ich an Ihrer Stelle«, sagte Larner, »würde mir ein bißchen genauer die Einwanderungslisten von 1983 anschauen. Das letzte Opfer starb Anfang November 1982. Der Brief wurde im April 1983 in Stockholm abgeschickt. Vielleicht finden Sie ihn unter den Einwanderern in dieser Zeit.«
    Ein FBI–Mann schaute herein. »Ray«, sagte er. »Mrs. Stewart hat jetzt

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