Böses Blut
Robert Mayer Benny Lundberg gefoltert, Viggo Norlander ausgeknockt und Nybergs Nasenbein an drei Stellen gebrochen. Er selbst dagegen wirkte frisch wie eine Heckenrose.
»Das sieht nicht gut aus«, sagte er und klopfte sich leicht an die Nase.
»Es ist ein harter Job«, sagte Nyberg und schüttelte Mayers Hand. Diesmal verzichtete er auf den Mr.–Sweden–Handschlag.
»Ich habe mir einmal genauer angesehen, wozu dieser Lagerraum in der letzten Zeit benutzt worden ist«, sagte Mayer, setzte sich und faltete die Hände im Nacken. »Er hat wirklich leer gestanden, da werden nur alte leere Kartons gelagert. Er ist also so gut wie jedem zugänglich gewesen. Und offenbar auch für so gut wie jeden Zweck.«
Nyberg konnte nicht umhin, von Mayers professioneller Art beeindruckt zu sein. »Eine furchtbare Geschichte«, sagte er nur.
»Wirklich«, sagte Mayer mitfühlend.
Nyberg hätte am liebsten gekotzt. Er sagte: »Dies läßt natürlich den Einbruch in einem neuen Licht erscheinen.«
Mayer nickte nachdenklich. »Benny, ja«, sagte er. »Meldet einen Einbruch in einem Lagerraum, während zur gleichen Zeit in einem anderen der Kentuckymörder in Aktion ist. Wird dann selbst in diesem anderen fast ermordet. Was fangen Sie damit an?«
»Nichts, im Augenblick«, sagte Nyberg ausdruckslos. »Aber wir fragen uns natürlich, was Benny Lundberg für eine Rolle spielte.«
»Es wirkt zweifellos sehr sonderbar«, sagte Mayer. »Wir wußten ja, daß er eine Vergangenheit als Skinhead hatte, fanden jedoch, daß er die Chance verdiente, ein neues Leben zu beginnen. Jetzt deutet wohl das meiste darauf hin, daß er mit dem Einbruch zu tun hatte ...«
»Ich verstehe nicht richtig«, sagte Nyberg ausgesucht dämlich.
»Ich will mich nicht in Ihre Arbeit einmischen«, sagte Mayer knapp. »Das ist ja wohl kaum nötig. Sie waren ja drauf und dran, ihn zu schnappen.«
»Es wäre schön, sich das zur Ehre anrechnen zu können, aber die Wahrheit ist, daß wir nur da unten waren, um eine Routinekontrolle aller Lagerräume in der Nähe durchzuführen.«
Nyberg holte das Foto von Kerstin Holms verstorbenem Pastor hervor und hielt es Mayer hin. Mit der Bildseite nach unten, so daß Mayer es anfassen und umdrehen mußte.
Er betrachtete es und schüttelte den Kopf. Nyberg nahm es zurück und steckte es in seine Brieftasche.
»Tut mir leid«, sagte Mayer. »Müßte ich ihn kennen?« »Wir haben ihn in einem Wagen erwischt, der mit hoher Geschwindigkeit den Freihafen verließ. Einer der Lagerarbeiter meinte, ihn schon einmal gesehen zu haben. Daß er eventuell bei LinkCoop gearbeitet hätte.« »Nein, mir sagt das Bild nichts.«
Nyberg nickte gemessen und stand auf. Sie gaben sich zivilisiert die Hand.
Er mußte sich beherrschen, um nicht durch die Korridore zu laufen. Er lächelte den Zwillingsrezeptzionistinnen zu und bekam doppelte Rendite. Sein Wagen rollte bedächtig durchs Tor und verschwand sanftmütig um die Ecke.
Die letzten zwanzig Meter gab er heulend Gas; das wenigstens durfte er sich wohl erlauben. Er lief in geduckter Haltung hinüber zu Hultins Volvo, stieg ein und ließ sich in den Sitz fallen.
»Alles okay?« fragte Hultin.
»Ich glaube, ja«, sagte er und reichte Chavez das Foto nach hinten. Es hatte etwas zutiefst Makabres: die Fingerabdrücke des Kentuckymörders quer über dem Gesicht des schüchternen, krebskranken Pastors. Mit Plastikhandschuhen führte Chavez das Foto in einen kleinen Scanner ein, der an der Seite des tragbaren Computers angebracht war. Alles war vorbereitet. Nybergs Fingerabdrücke waren eingegeben, ebenso die von Wayne Jennings. Nach einer unangenehm langen Warte– Xeit piepte das Gerät. »Match« blinkte es auf dem Bildschirm.
»Wir haben ein ›Match‹ für Gunnar Nybergs Fingerabdrücke«, sagte Chavez.
Keiner antwortete. Sie warteten. Die Zeit dehnte sich end los. Jede Sekunde war ein Schritt in die Hoffnungslosigkeit.
Dann ein weiteres Pling, ein weiteres »Match«.
»Nicht wieder Nyberg?« sagte Hjelm.
»›Match‹ für Robert Mayer«, sagte Chavez. »Wayne Jennings und Robert Mayer sind ein und dieselbe Person.«
Ein silbergrauer Volvo Turbo auf dem Parkplatz eines Industriegeländes in Täby vibrierte vom mehrfachen Seufzen der Erleichterung.
»Wir können nicht einfach hineinstürmen«, sagte Hultin. »Er sieht uns mindestens zwei Minuten vorher. Ich schätze mal, er braucht nicht mehr als zehn Sekunden, um sich in Luft aufzulösen.«
Eine Weile war es still.
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