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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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seine familiären Verhältnisse aus?«
    Möller gab einen tiefen Seufzer von sich und schaute auf die Uhr.
    Ein jüngerer glatzköpfiger Mann kam hereingestürmt und wedelte mit einem Papier. »Entschuldigung, daß ich störe«, keuchte er. »Die Zeit drängt. Lars–Eriks Nachruf ist fast fertig, aber was machen wir mit der Todesursache? Irgendwas müssen wir doch schreiben.«
    Möller machte eine Geste zu Hjelm hinüber und fragte: »Was können wir schreiben?«
    »Daß er ermordet wurde.«
    Der junge Mann starrte ihn an. »Mehr nicht?« sagte er schließlich.
    »Das reicht doch«, sagte Hjelm.
    Der Mann stürzte wieder davon. Durch die Scheiben der Bürotür sah Hjelm ihn zu seinem Computer zurückkehren und mit der lockeren Hand eines professionellen Schlachters auf die Tasten einhauen.
    »Nachrufe zu schreiben fällt den jungen Leuten nicht leicht«, sagte Möller müde. »Wenn einer unerwartet stirbt, muß man bei Null anfangen. Das erfordert große Mühe.«
    »Und wenn jemand erwartet stirbt?« fragte Hjelm.
    »Wir haben Nachrufe vorbereitet.«
    Hjelm traute seinen Ohren nicht. »Sie haben Nachrufe für lebende Menschen vorbereitet? Ist das Ihr Ernst?«
    Möller seufzte schwer. »Man merkt, daß Sie nicht viel von Redaktionsarbeit verstehen. Wollen wir das hier irgendwann hinter uns bringen? Wo waren wir?«
    »Die Familienverhältnisse«, sagte Hjelm.
    »Lars–Erik lebte seit einigen Jahren allein. Er hat zwei Ehen hinter sich und einen Sohn aus jeder Ehe. Ich werde Ihnen die Adressen geben.«
    Möller blätterte in einem großen Adreßbuch, kritzelte ein paar Hieroglyphen auf einen Zettel und reichte ihn Hjelm.
    »Danke. Wie war er als Autor?«
    Möller schwieg und überlegte. »Er war einer der führenden Literaturkritiker im Lande. Sein Urteil konnte ein schriftstellerisches Werk aufwerten oder vernichten. Sein Name unter einem Text gab diesem immer einen gewissen ... Nimbus. Ein großartiger und vielseitiger Kritiker, der sich nicht scheute, klare Worte zu sagen. Und außerdem ein unterschätzter Autor.«
    »Er schrieb auch Bücher?«
    »In letzter Zeit nicht mehr, aber es gibt ein paar Perlen aus den siebziger Jahren.«
    »Ich habe eben draußen ein paar alte Feuilletons durchgeblättert und auch einige seiner Texte gefunden. Er schien nicht viel für Literatur übrig zu haben ...«
    Möller massierte sich den Bart und blickte aus dem Fenster auf den hellblauen Himmel. »Die Literatur von heute ist unter aller Kritik«, sagte er schließlich. »Buchstäblich unter. Die jungen Autoren haben ihre Berufung ganz und gar mißverstanden. Wir schreiben überhaupt nicht mehr viel über Literatur.«
    »Nein, ich habe gesehen, daß Sie Gesellschaftsreportagen und Filmfestivals und Interviews mit Rockgruppen und offizielle Preisverleihungen und Konflikte innerhalb verschiedener bürokratischer Verbände bevorzugen.«
    Möller beugte sich über den Schreibtisch und bohrte seinen Blick in Hjelms. »Und was sind Sie? Kritiker?«
    »Nur ein bißchen verwundert.« Hjelm blätterte in seinen Notizen. »Ich fand einen Artikel, in dem ein Kritiker schreibt, daß Kritiker viel zu viele Bücher lesen und lieber joggen sollten.«
    »Das Leben besteht aus mehr als Büchern.«
    »Das ist doch eine Binsenweisheit. Wenn ich behaupten wollte, dadurch ein besserer Polizist zu werden, daß ich mich weniger mit polizeilicher Arbeit beschäftige, wäre das ein Dienstvergehen. Dann stand in einem Artikel, die Schriftsteller heutzutage grübelten viel zuviel über den Sinn des Lebens nach. Ich dachte, das sei des Pudels Kern.«
    »Man merkt, daß Sie sich in der Branche sehr wenig auskennen«, murmelte Möller und starrte aus dem Fenster.
    »Sie selbst schreiben, die Jungen seien eine Bande bleichgesichtiger, orientierungsloser Nabelbeschauer, und hier sind ein paar Zitate aus Lars–Erik Hassels Texten: ›Es fragt sich, ob aus der Literatur noch viel mehr herauszuholen ist‹, ›Dichtung und bildende Kunst scheinen ausgedient zu haben‹, ›Die große Gesellschaftsschilderung, auf die wir alle gewartet haben, kam nie, das ist die Tragik der Literatur‹, ›Dichtung scheint nichts anderes zu sein als ein Spiels ›Die Literatur ist lange unsere am meisten überschätzte Kunstform gewesen‹.«
    Als von Möller keine Reaktion erfolgte, beugte sich Hjelm seinerseits über den Schreibtisch. »Verhält es sich nicht so, daß einer von Schwedens einflußreichsten Literaturkritikern Literatur überhaupt nicht mochte?«
    Möllers Blick war

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