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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Aktion nicht eingehen.«
    »Sind Festnahmen erfolgt?«
    »Mindestens ein amerikanischer Staatsangehöriger ist wegen Drogenschmuggels festgenommen worden, ja. Wir rechnen in Bälde mit weiteren Festnahmen.«
    Am Bildrand wurde ein Mann in Handschellen vorbeigeführt. Hjelm erkannte den berüchtigten Drogenschmuggler Robert E. Norton. Obwohl Norton zwischen vier schwerbewaffneten Arlanda–Polizisten eingekeilt war, gelang es ihm, Mörner einen Tritt in den Hintern zu versetzen, worauf dieser mit einem schrillen Aufschrei zu Boden ging. Im Fallen griff er nach dem Mikrophon, so daß der Reporter ebenfalls zu Boden stürzte. Das Mikrophonkabel wiederum mußte sich um die Beine des Kameramanns geschlungen haben, denn auch der fiel der Länge nach hin. Hinter dem langgezogenen Bild von Arlandas Deckenpartie konnte man den Kameramann jammern, den Reporter stöhnen und Mörner verbale Kanonaden abfeuern hören: »Himmelherrgottsakramentverdammtearschgeigen.«
    Erst an dieser Stelle machte der Produzent einen Schnitt; man konnte sich leicht sein sadistisches Lächeln vorstellen.
    Dennoch kam es für die Dame im Studio zu früh. Als die Kamera auf sie schwenkte, rief sie in Panik: »Soll ich das hier wirklich lesen?«
    Als sie merkte, daß sie schon auf Sendung war, gelang es ihr, sich zu fassen. Sie kämpfte grandios, um sich das Lachen zu verbeißen, während sie las: »Zum Glück wurde beim Angriff des Drogenkuriers niemand ernstlich verletzt. Unser Reporter allerdings zog sich gewisse orale Schäden zu, als das Mikrophon, das in seinen Mund gedrückt worden war, entfernt wurde.«
    Auf dem Sofa in Norsborg brauchte niemand ernst zu bleiben. Als die Lachsalven verebbten und Paul Danne die Fernbedienung zurückreichte, begegnete er Cillas Blick, Während sie sich die Tränen abwischte und ihr Gesicht wiederherstellte, war ihr Blick ernst. Sie begriff, daß etwas im Gang war, das sah er.
    Sie gingen früh zu Bett, beide hatten einen langen Arbeitstag hinter sich. Danne durfte sitzen bleiben und weiter MTV gucken; dies war kein Abend, an dem sie noch in der Lage waren, richtig verantwortungsvolle Eltern zu sein. Die Erfahrung sagte ihnen, daß er wahrscheinlich beim Fernsehen seine Hausaufgaben machte. Keiner von ihnen konnte es ganz fassen, wie der Begriff Simultankapazität so schnell aufgewertet worden war.
    »Was ist denn bei euch los?« fragte Cilla mit einem letzten aufglühenden Funken von Aufmerksamkeit, bevor der Schlaf die Oberhand gewann.
    »Bis jetzt ist nichts passiert«, sagte Paul, während er ein paar Bücher auf den Nachttisch packte. »Aber die Gefahr besteht.«
    »Und die Wunde an deiner Lippe?« fragte sie schon beinah tonlos.
    »Der Fernsehstar«, prustete er. »Der Mörner in den Arsch getreten hat.«
    »Geht es wirklich um Drogen?«
    »Nein«, seufzte er. »Das hier tötet schneller.«
    Sie war schon fast jenseits der Schlafgrenze. »Waffen?« fragte sie.
    »Nicht direkt. Aber es ist besser, ich sage nicht mehr. Allerdings fürchte ich, daß uns einige Überstunden bevorstehen. Ein Glück, daß der Sommer zu Ende geht.«
    Da schlief sie schon.
    Er streichelte ihre Wange. Dann wandte er sich dem Bücherstapel auf seinem Nachttisch zu. Auf dem Heimweg von Marieberg war er in der Bibliothek am Fridhemsplan gewesen und hatte in dem neuen Online–Katalog nach Hassel, Lars–Erik, gesucht. Er bekam die maoistische Kampfschrift von 1971 und zwei Teile der etwas späteren Serie von Dokumentarromanen.
    Die Kampfschrift war unlesbar. Nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil sie die totale Vertrautheit mit der Terminologie des dialektischen Materialismus voraussetzte. Er begriff ganz einfach kein Wort. Dies hatte also ein Mann geschrieben, der später schwedische Autoren mit Vorwürfen überschüttete, sie seien elitär.
    Die Dokumentarromane waren statt dessen zutiefst pädagogisch. Die Handlung kreiste um ein Gut in Västmanland zur Zeit der Jahrhundertwende. Schritt für Schritt folgte man Klasse für Klasse, angefangen beim Gutsbesitzer mit seiner ererbten Brutalität hinter der Fassade von piekfeinem Oberklassengehabe bis zum heroischen Kampf der unterdrückten Häusler um ihr täglich Brot. Hjelm hatte das vage Gefühl, daß ihm das Konzept geläufig war. Das Problem lag darin, daß alles überideologisiert war. Die Gestaltung trat völlig hinter der Botschaft zurück. Hier sollte die ungebildete Masse wirklich politisch geschult werden. Es war wie eine mittelalterliche Exempelsammlung, ein

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