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Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
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Jede sprachliche Äußerung schien blockiert. Nach dieser Rede würde kein Wort mehr unschuldig sein. Jedes einzelne konnte zu einer gegen das Herz der schwedischen Sprache gerichteten Mordwaffe werden.
    »Bei solchen Freunden braucht man keine Feinde«, sagte Hultin ausdruckslos, womit er freilich zu einem Sprichwort Zuflucht nahm, um den Sprachzustand wieder zu normalisieren. Er fuhr fort: »Ich habe die Nacht mit dem Kentuckymörder verbracht.«
    »Dann dürfte er ja leicht zu lokalisieren sein«, meinte Söderstedt, der sich noch nicht richtig gefaßt hatte.
    Hultin ignorierte ihn souverän: »Eine Zusammenfassung ist auf eure Zimmer verteilt worden. Das Material ist enorm umfangreich, und irgendwo darin verbirgt sich die Schwedenverbindung. Meine Durchsicht hat eigentlich nichts Neues erbracht, aber wenn ihr Zeit übrig habt, könnt ihr wohl die Details studieren. Ich befürchte jedoch, daß er erst aktiv werden muß, damit wir Spuren bekommen, mit denen sich etwas anfangen läßt.«
    »Wenn er nun hergekommen ist, um in Pension zu gehen«, sagte Nyberg, dessen Sehnsucht nach der Pensionierung inzwischen immer spürbarer wurde. »Dann sitzen wir hier und drehen Däumchen bis zu unserer Pensionierung.«
    Der Gedanke hatte für Gunnar Nyberg nichts wirklich Abschreckendes. Bei der Jagd auf den Machtmörder war er von einer Kugel in den Hals getroffen worden. Es hatte nicht viel gefehlt, und der fleißige Kirchenchorsänger hätte seinen letzten Ton gesungen. Nach halbjähriger Rekonvaleszenz war er zurückgekehrt in den Kirchenchor von Nacka; sein Baß war tiefer geworden, hatte mehr Volumen bekommen, und er sang jetzt jubelnd, nicht so sehr über Gottes Güte – wenngleich auch die in seinen Gedanken mitspielen mochte – als vielmehr über die Tatsache, daß er überhaupt noch eine Stimme hatte. Die Stimmbandzange des Kentuckymörders war für Nyberg identisch mit der Teufelsgabel. Er lief Gefahr, sich in einer Weise persönlich zu engagieren, wie er es normalerweise in Erwartung seiner Pensionierung sorgsamst vermied. Das Problem war, daß bis dahin noch zwanzig Jahre vergehen mußten.
    »Er ist mit frischem Blut an den Händen hergekommen«, erwiderte Hultin. »Ich glaube nicht, daß man auf diese Art und Weise seine Laufbahn beendet. Er hätte sehr wohl ganz unbemerkt ins Land schlüpfen können, doch die Sucht gewann die Oberhand. Nein, irgendein Ziel hat er ...«
    »Genau darüber habe ich nachgedacht«, sagte das zweite Kirchenchormitglied, Kerstin Holm. Sie trug Schwarz wie immer, unter anderem einen kleinen schwarzen Lederrock von der Art, auf die Hjelm nicht umhin konnte zu reagieren. Er wurde plötzlich um ein gutes Jahr zurückgeworfen. Der gestrige häusliche Friede schien die verbotenen Türen geöffnet zu haben, und er fragte sich auf einmal, wie es ihr eigentlich ging, wer der neue Mann war, was sie jetzt im nachhinein so über ihn dachte. Ihr Verhältnis war intensiv gewesen, aber unwirklich. Haßte sie ihn? Manchmal glaubte er das. Hatte wirklich er sie verlassen, oder sie ihn? Alles lag noch immer im Nebel. Misterioso, dachte er.
    Was sie dann sagte, rief ihn abrupt in die Wirklichkeit zurück.
    »Bei Serienmorden geht es ja darum, gesehen zu werden«, meinte sie nachsinnend. Ihren Diskussionsbeiträgen lag immer eine etwas abweichende Argumentationsweise zugrunde. Weiblich, vielleicht. »Die Opfer sollen ihren Henker sehen, nach Möglichkeit lange, und die Öffentlichkeit soll die Opfer sehen, und dadurch den Mörder. Man mordet nicht in Serie und versteckt dann die Opfer. Das wäre etwas anderes. Wie bei Thomas Quick. Wie verhält es sich eigentlich damit? Hat unser Mann jemals ein Opfer versteckt?«
    Hultin blätterte wieder. »Auf den ersten Blick hat es nicht den Anschein, aber wenn du glaubst, daß es wichtig ist, mußt du die Sache genauer untersuchen.«
    »Ich glaube, daß jeder von uns das vage Gefühl hat, daß hier etwas nicht ganz stimmt. Nicht viel, aber ein wenig. Er ist bestialisch blutdürstig, macht aber fünfzehn Jahre lang Pause. Er nimmt einen falschen Paß mit zum Flughafen, hat aber keinen Platz gebucht. Er ermordet Hassel in der abendlichen Rushhour auf einem der größten Flughäfen der Welt, ohne eine Spur zu hinterlassen, aber er versteckt die Leiche nicht. Er hat alle Attribute eines klassischen Serienmörders, agiert aber gleichzeitig mit der Professionalität eines klinischen Berufskillers. Will er wirklich gesehen werden? Oder hat er uns vielleicht erzählt, wohin

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