Böses Blut
Hieroglyphen in Gold vor einem tiefgrünen Hintergrund auszupacken.
»Wir haben gegessen«, sagte Danne, ohne den Blick vom Fernsehschirm zu wenden. »Was war das für eine Scheißpampe?«
»Mexikanische Scheißpampe«, sagte Cilla ungerührt und hielt den Duschvorhang hoch. Offenbar sollte der Ehemann sein Urteil abgeben.
»Was steht da?« fragte er.
Sie schnitt eine Grimasse und trug den Duschvorhang ins Badezimmer.
Er machte sich ein Bier auf und rief: »Vielleicht sind es ägyptische Pornogeschichten!«
Danne starrte ihn vom Sofa aus an.
Nach einer Weile kam sie mit dem alten Duschvorhang zurück und enthüllte die schrecklichen Schimmelkonzentrationen, zwei kleine schwarze Flecken unten in einer Ecke. »Was sagt das über diesen Haushalt?« fragte sie rhetorisch und befingerte angeekelt die Flecken.
»Daß wir duschen.«
Sie seufzte, knüllte den Vorhang zusammen und stopfte ihn in einen schon überquellenden Mülleimer. Dann holte sie die Reste der mexikanischen Scheißpampe heraus, schob die Plastikschale in die Mikrowelle, setzte sich vors Fernsehen und schaltete auf einen anderen Kanal um. Ohne ein Wort nahm Danne die Fernbedienung und schaltete zurück.
Während Hjelm sich das Bier eingoß, kam es ihm in den Sinn, daß er die Szene schon gesehen hatte. Dreitausenvierhundertsechsundachtzigmal.
»Wieviel Uhr ist es?« fragte er.
»Neunzehn, null sechs und dreizehn«, sagte Cilla, die gekontert hatte, indem sie den Teletextknopf gedrückt hatte, so daß ein dunkler Buchstabenvorhang vor der MTV–Szene niederging.
»In knapp vier Minuten geht der Gong«, ließ sich die Stimme des Hausherrn vernehmen. »Ich will ABC sehen.«
Der Kampf auf dem Sofa ging lautlos weiter. Noch war es ein Spiel. Er hoffte, daß es dabei bliebe.
Die Mikrowelle klingelte. Tova kam die Treppe herunter und stöhnte, als sie das Schauspiel auf dem Sofa sah.
»Hej«, sagte Hjelm zu seiner fast vierzehnjährigen Tochter.
»Hej«, sagte sie überraschenderweise. »Ihr seid aber spät.«
»Hör auf«, sagte er.
Er füllte die mexikanische Scheißpampe auf zwei Teller grub zwei Löffel aus, goß zwei Bier ein und schaffte es tat] sächlich, alles zum Sofa im Wohnzimmer zu balancieren.
»Ist das nicht ein Schulbuch?« sagte er zu seinem Sohn, der gerade die Tasche an sich brachte, in der Cilla die Fernbedienung versteckt hatte.
»Hör auf«, äffte Danne ihn nach, riß die Fernbedienung an sich und schaltete zurück auf MTV. Es lief Reklame, und er gab nach. Die Vaterhand schnappte die Fernbedienung, schaltete aufs Zweite und stellte den Ton lauter.
Es waren noch ein, zwei Minuten bis zu den Lokalnachrichten. Hjelm konnte noch fragen: »Was macht die Schule?«
Der Sohn hatte gerade mit der gymnasialen Oberstufe begonnen, und Paul Hjelm hatte einige Stunden an den Versuch verschwendet, sich mit dem neuen Oberstufensystem vertraut zu machen. Danne besuchte jedenfalls etwas, was unter der Bezeichnung Gesellschaftswissenschaftlicher Zweig lief, und seine Hausaufgaben wirkten wesentlich einfacher als der Unterrichtsplan.
»Gut«, sagte Danne.
Die Einleitungsmelodie der Lokalnachrichten erklang.
»Jetzt erlebt ihr große Fernsehkunst«, sagte Paul Hjelm. Der Rest der Familie betrachtete ihn skeptisch.
Es kam als erstes. Die Sprecherin berichtete erregt von einem großen Drogenzugriff auf Arlanda am Vormittag – und von einem dramatischen Überfall auf einen hochrangigen Polizeibeamten vor laufender ABC–Kamera. Empfindsame Zuschauer wurden gewarnt.
Hjelms Spannung stieg.
Dann erschien Waldemar Mörner auf dem Bildschirm, Abteilungsleiter bei der Reichspolizeiverwaltung und formeller Chef der A–Gruppe.
Sein wohlfrisiertes Haar war makellos, dennoch hechelte er, als habe er persönlich Verbrecher kreuz und quer durch den Flughafen Arlanda gejagt. Wahrscheinlich war er eben erst aus dem Hubschrauber gesprungen, ohne eine Ahnung zu haben, was passiert war, möglicherweise hatte er im Hubschrauber auf der Stelle gejoggt. Weder sein Hecheln noch seine Unwissenheit hinderten ihn daran, selbstsicher und handlungskräftig auszusehen. Auch nicht daran, hemmungslos zu lügen.
»Waldemar Mörner, Abteilungsleiter bei der Reichspolizeiführung«, sagte der Reporter einleitend. »Was ist heute in Arlanda geschehen?«
»Die Reichskriminalpolizei hat aufgrund von Hinweisen unserer amerikanischen Kollegen, daß heute eine große Partie Drogen aus den USA in Arlanda eintreffen sollte, agiert. Weiter kann ich auf die eigentliche
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