Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Böses Blut

Böses Blut

Titel: Böses Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arne Dahl
Vom Netzwerk:
glücklichen weihnachtlich verschneiten Atmosphäre oder wie ein ins Innere der Sonne versenkter Kessel. Jetzt verstand er, warum. Es war Mitte September und unendlich lange hin bis zum glücklichen Weihnachtsschnee.
    Es gelang ihm, in das zwar heruntergekommene, aber freundlich heruntergekommene Bad zu gehen. Dort gab es eine Dusche in einer etwas mitgenommenen Badewanne, die er benutzte, ohne Kulturbeutel und frische Sachen bei sich zu haben, einfach hinein. Es war schon viel, daß er daran gedacht hatte, sich vorher auszuziehen. Als er fertig war, trocknete er sich nicht einmal ab, sondern ging direkt zum Waschbecken und begann zu trinken. Nach fünf Schlucken fiel ihm ein, daß er das Wasser vielleicht lieber nicht trinken sollte, und er begann zu spucken und zu prusten. Das einzige, was ihm noch gefehlt hatte, war ein richtig saftiger Touristendurchfall.
    Er betrachtete sich im Spiegel. Wie es sich gehörte, war das Glas stilvoll gesprungen. Etwas verrutscht, leicht kubistisch, begegnete er seinem eigenen Blick. Das Mal auf der Wange war immer noch da; er dankte diversen Schöpfern, daß es nicht mehr gewachsen war. Anfangs war er richtig besorgt gewesen, daß es sich über das ganze Gesicht ausbreiten würde.
    Warum mußte er in Kerstin Holms Anwesenheit immer an das Mal denken?
    Er ging nackt ins Zimmer zurück. Als er die vier Meter zum Bett hinter sich hatte, war er schon trocken. Kaum hatte er sich aufs Bett gelegt, begann er schon wieder zu schwitzen. Er lag da und betrachtete sein Geschlecht. Einen Moment lang überlegte er, ob er onanieren sollte – das war immer eine Möglichkeit, sich einzugewöhnen –, aber die Voraussetzungen waren zu schlecht. Statt dessen versuchte er es mit einer passenden Atemtechnik, so kraftsparend wie möglich, und während er so übte, schlief er ein.
    Wie auf Bestellung tauchte Kerstin auf. Er war in einem anderen Hotelzimmer. Er schlief und träumte in seinem Traum. Oder besser gesagt, er befand sich in seinem Traum in einem Zustand zwischen Wachen und Träumen. Da tauchte sie auf. Wie aus dem Nichts schritt die kleine dunkelhaarige Gestalt durch den Raum. Sie hatten früher am Abend über Sex gesprochen, ein wenig betrunken, aber offen, reif, modern. Es hätte keine weiteren Folgen haben müssen.
    Er hatte zufällig – wenn man es zufällig nennen konnte – von seiner Lieblingsphantasie erzählt, und jetzt lag sie plötzlich neben ihm und onanierte, nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. Sein Unterbewußtsein hatte pedantisch jede Bewegung gespeichert und seit einem Jahr darauf bestanden, sie nachts hervorzuholen, jede kleine Eigenheit ihrer Bewegungen, jedes Streicheln, und die Ansammlung von Wünschen und Begehren, die in jeder Bewegung enthalten war, es klopfte, und sie zog die Hand wie einen Rechen nach unten durch das Haardreieck, es klopfte, und sie spreizte sich langsam, langsam, es klopfte.
    Es klopfte.
    Er setzte sich irritiert auf und sah auf seinen Ständer hinunter.
    »Paul?« flüsterte es weiblich durch die Tür. »Bist du wach?«
    »Ja, ich bin nackt!« rief er und gab vor, wach zu sein. »Wach!« rief er etwas lauter und hoffte, daß die Tür Freudsche Versprecher gut genug abfing. »Ist es schon soweit?«
    »Noch nicht ganz«, sagte Kerstin. »Läßt du mich rein?«
    »Warte«, rief er und war endlich wach. Die Erektion war unerbittlich standhaft. Er griff nach einer Notlüge: »Ich bin unter der Dusche, warte kurz!«
    Warum konnte er nicht mit dieser Frau zusammenarbeiten, ohne sie zum Sexobjekt zu machen? War er nicht ein erwachsener Mann? Er fand eigentlich, daß er eine gesunde Einstellung zur Gleichberechtigung und den Rechten der Frauen hatte, aber das Begehren war ein Tyrann, der immer überleben würde. Und außerdem fand er, daß er sie eher zu einem Sexsubjekt machte, aber wo zum Teufel war die Grenze?
    Sie war hier. Sein Ständer gab komischerweise tatsächlich nicht nach. Es gelang ihm, aus sich herauszutreten und sich selbst kritisch zu betrachten. Was für ein Idiot er war. Und der Idiot stand vor einer Wahl: Entweder würde er sie abwimmeln und riskieren, den letzten Rest ihres Vertrauenskapitals zu verlieren, oder er würde aufrichtig sein und riskieren, die letzten Reste ihres Vertrauenskapitals zu verlieren.
    Ein paar Sekunden Balanceakt auf Messers Schneide, und dann: »Ich hab einen Ständer.«
    »Was zum Teufel redest du da? Laß mich rein.«
    Er zerrte ein Handtuch aus dem Bad und wickelte sich darin ein. Es sah lächerlich aus,

Weitere Kostenlose Bücher