Böses Blut
bog er ab, wendete und fuhr zwecks Wiederholung zurück; offenbar waren sie nur wegen der Aussicht diesen Weg gefahren. Sie fuhren über die Brücke zurück und hinunter zur mächtigen City Hall, bogen in eine von Manhattans wenigen diagonalen Straßen ab, Park Row, die direkt am City Hall Park vorbeiführte, kamen auf den Broadway, bogen rechts ab, fuhren erneut an der City Hall vorbei und erreichten nach ein paar Querstraßen die Federal Plaza, wo sich ein Garagentor öffnete und sie einließ.
Dies war das Hauptquartier des FBI in Manhattan, 26 Federal Plaza. Außerdem gab es Filialen in Brooklyn–Queens, auf Long Island und auf dem JFK–Flughafen. Sie streiften durch Korridore, die wenig Ähnlichkeit mit dem Polizeigebäude in Kungsholmen hatten. Alles war größer, sauberer und klinischer. Hjelm fragte sich, ob er hier überhaupt arbeiten könnte. Die Räume wirkten immun gegen das wilde Denken, das er als seine Spezialität betrachtete.
Hjelm hörte schnell wieder auf, die Sicherheitstüren zu zählen, durch die sie sich mit Hilfe diverser Codes und Chipkarten hindurcharbeiteten. Schonbauer agierte als Gatterjunge, während Larner in einer Tour redete. Zahlen und Informationen von der Sorte, wie man sie in Broschüren findet, schwirrten ihnen um die Ohren: die Anzahl der Angestellten, Abteilungen, die Art der Grundausbildung, Expertengruppen, alles, nur das Relevante nicht.
Schließlich erreichten sie offenbar des Pudels Kern. Eine letzte Sicherheitstür mit monumentalen Scharnieren wurde aufgeschoben, und dann standen sie vor einem Korridorsystem, das offenbar das Serienmörderkommissariat der New Yorker Abteilung des FBI beherbergte. Larners und Schonbauers Namen standen an zwei von einer langen Reihe nebeneinanderliegender unscheinbarer Türen. Schonbauer verschwand ohne ein Wort hinter seiner, die übrigen traten in Larners Büro.
»Jerry wird eine kleine Multimedia–Show für Sie vorbereiten«, erklärte Larner und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Das Büro war klein und zugewachsen, konstatierte Hjelm mit Dankbarkeit; hier gab es zumindest den Schatten einer persönlichen Note. An den Wänden hingen Anschlagtafeln, dem Anschein nach als Tapetenersatz, und an allen hingen Zettel der unterschiedlichsten Sorte. Direkt hinter Larner stand auch ein vertrautes Flipchart, und das Muster aus Pfeilen, Quadraten und Linien erinnerte zum Verwechseln an das von Hultin.
»Ja, hier haben wir alles konzentriert«, sagte Larner, der Hjelms Blick gefolgt war. »Vierundzwanzig Quadrate mit gefolterten Leichen. Achtundvierzig Löcher in vierundzwanzig Hälsen. Ein nüchternes Schema des Nichtschematisierbaren. Grauenhafte Schrecken reduziert auf ein paar blaue Striche. Was können wir sonst tun? Den Rest tragen wir in uns.«
Hjelm betrachtete Larner. Der FBI–Agent trug zweiffellos so einiges in sich.
»Zuerst eine Frage«, sagte Larner leise. »Stimmt es, daß Sie glauben, er habe eines der Opfer erschossen?«
»Es sieht so aus«, sagte Hjelm.
»Das verändert auf einen Schlag das minimale psychologische Profil, das wir zusammengekratzt haben.«
»Andererseits«, sagte Kerstin Holm, »war ja Ihre ursprüngliche Theorie, daß er ein Vietnam–Veteran ist. Bei denen sitzen die Schußwaffen doch meistens recht locker.«
Larner zog eine Grimasse. »Sie wissen ja, was mit der Theorie passiert ist...«
»Natürlich«, sagte Kerstin, und Hjelm hatte fast den Eindruck, daß sie errötete. Diplomatischer Fehler schon in der ersten Replik. Er sah, wie sie sich selbst verfluchte.
Dennoch schien sie nicht richtig lockerlassen zu wollen. »Können Sie nicht kurz erklären, warum Sie alle anderen Mitglieder des Commando Cool freigelassen haben? Das ging aus dem Material, das Sie nach Schweden geschickt haben, nicht hervor.«
Larner streckte sich und hohe die Information aus seinem beachtlichen Gehirnarchiv: »Die Gruppe scheint aus acht Mitgliedern bestanden zu haben, alle mit Spezialausbildung. Es war eine Gruppe, deren Schwerpunkt die Folter im Feld war, wenn man es brutal ausdrucken will. Etwas offizieller hieß es – wenn ich denn überhaupt etwas Offizielleres aus der Sache machen konnte – ›Informationsermittlung im Feld‹; ich hatte das Gefühl, daß man den Ausdruck speziell für mich erfunden hatte, es war nie so gedacht, daß auch nur die kleinste Information aus dem inneren Kreis nach außen dringen sollte.«
»Wer gehörte zum inneren Kreis ? Waren es überhaupt Militärs?«
Larner betrachtete
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