Böses Blut
wir ihn besucht haben, war er noch sehr liebenswürdig, richtig nett. Die untere Hälfte. Als wir genauer hinsahen, erkannten wir mehr und mehr die obere.«
Sie sahen die anderen Fotos durch. Ein jugendlicher Jennings in Uniform, etwas älter in einem Kreis von gleich Uniformierten, Jennings mit großem Thunfisch, Jennings mit auf die Kamera gerichteter Maschinenpistole und gespielter Angreifermiene, Jennings mit schöner Südstaatenfrau mit zwei Vornamen beim Tanzen, Jennings mit kleinem Kind auf dem Schoß, Jennings knutschend mit einer vietnamesischen Prostituierten, und dann Jennings mit breitem Lachen, die Pistole auf die Schläfe eines weinenden, nackten, knienden Vietnamesen gerichtet, der sich vor einem tiefen Loch in der Erde bepinkelt. Kerstin hielt Larner das Foto hin.
»Genau«, sagte er. »Man vergißt die anderen geradezu. Das ist ein verdammt widerwärtiges Bild. Ich könnte viel Geld damit verdienen, wenn ich es ans Time Magazine verkaufen würde. Ich begreife nicht, wie er es aufheben konnte. Wir haben all diese Fotos gefunden, als wir nach seinem Tod sein Haus durchsuchten.«
»Wie ist er gestorben?« fragte Kerstin. »Ganz genau.«
Am Ende haben wir ihn ja rund um die Uhr überwacht«, begann Larner, wurde aber sofort unterbrochen.
»Wie lange?«
»Einen Monat.«
»Wurden während der Zeit Morde begangen?«
»Die Opfer wurden oft in einem Zustand der Verwesung gefunden, der es schwer machte, festzustellen, wie lange sie schon tot waren. Aber es stimmt, daß man alle sechzehn, die vor seinem Tod ermordet wurden, schon gefunden hatte. Das war einer der Gründe, warum ich darauf bestand, obwohl ich sämtliche Instanzen gegen mich hatte; je länger wir ihn rund um die Uhr überwachten und keine neuen Opfer gefunden wurden, desto wahrscheinlicher wurde es, daß er der Mörder war. Darf ich jetzt fortfahren?«
»Natürlich«, sagte Kerstin beschämt. »Entschuldigung.«
»Ich habe versucht, so oft wie möglich selbst mit im Wagen zu sitzen, und an diesem dritten Juli 1982 war ich auch da. Es war brütend heiß, fast unerträglich. Jennings kam aus dem Haus gerannt und schrie uns an; das hatte er in den letzten Tagen auch schon getan. Er wirkte völlig fertig. Dann rannte er zu seinem Wagen und rauschte davon. Wir folgten ihm die Landstraße entlang, vielleicht zehn Meilen in Richtung Norden. Wahnsinnstempo. Nach einer Weile stieg ein Stück neben der Straße eine enorme Rauchwolke auf, hinter einer langen Kurve, und als wir ankamen, sahen wir, daß Jennings frontal mit einem Lastwagen zusammengestoßen war. Beide Fahrzeuge brannten lichterloh. Ich lief, so weit ich konnte, heran und sah vage, wie er sich im Wagen bewegte, völlig verbrannt.
»Den Zusammenstoß selbst haben Sie also nicht gesehen?« fragte Kerstin.
Larner lächelte wieder, das gleiche Lächeln voller Einverständnis und Nachsicht, das zum Kennzeichen ihrer Beziehung geworden war. Hjelm fühlte sich etwas ins Abseits gedrängt.
»Ich verstehe, warum Sie nachhaken, Halm«, sagte Larner. »Nein, wir befanden uns ein paar hundert Meter hinter ihm, und es lag eine Kurve dazwischen, und nein, ich habe sein Gesicht nicht gesehen, als er verbrannte. Ja, es war der beste Platz, um einen Unfall zu arrangieren. Aber einerseits konnte man nirgends hin, überall rund herum war flache Erdwüste, und es war kein anderes Fahrzeug in der Nähe. Andererseits – und das war das Wichtigste – waren die Zähne der Leiche im Auto seine. Ich habe selbst lange gebraucht, um mich davon zu überzeugen, daß Jennings bei dem Unfall gestorben war. Aber so war es. Glauben Sie nichts anderes. Versuchen Sie, nicht den gleichen Fehler zu machen wie ich und sich an Jennings festzukrallen. Das hat jede weitere Arbeit an dieser Ermittlung zunichte gemacht. Ich kann nicht einmal mehr eine vernünftige Hypothese aufstellen. K. bleibt ein Rätsel. Er muß irgendwo gesessen und sich ins Fäustchen gelacht haben, während ich einen müden, arbeitslosen Kriegsveteranen gepiesackt und in den Tod getrieben habe. Dann hat er, nur um mir zu zeigen, wie sehr ich mich geirrt hatte, im Laufe eines halben Jahres zwei weitere Menschen umgebracht; beide starben lange nach Jennings. Und danach hat er sich in Luft aufgelöst.«
Larner saß mit geschlossenen Augen lange da. »Ich dachte, ich wäre ihn los«, sagte er langsam. »Ich habe weiter heftig an dem Fall gearbeitet, bin jedes kleinste Detail durchgangen, mehrere Jahre lang nach dem achtzehnten und letzten Mord. Ein
Weitere Kostenlose Bücher