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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Hand durch den dunklen Garten. Die Grillen zirpten, die Luft war schwer und gesättigt wie das gechlorte
     Wasser in einem Schwimmbecken. Lotte zog mich in ihre Wohnung. Ins Esszimmer des Bürgermeisters.
    Auf dem Sideboard stand afrikanische Kunst: schwarzes Holz, düstere Gestalten mit gereckten Gliedmaßen. Im Schrankregal der
     Grand Larousse in 24 Bänden, in Leder gebunden.
    Der Tisch war für zwei Personen gedeckt. Sie hatte eine weiße Tischdecke mit Spitzenrändern aufgelegt. Für mich. Für uns beide.
     Für ein intimes Nachtmahl. In der Mitte des Tisches brannte eine faustdicke Altarkerze. In Schauren hatte selbst die Lust
     eine schwermütige Seite.
    »Du sorgst für Musik«, ordnete sie an und verschwand in der Küche. Die Schiebetür zog sie hinter sich zu.
    Pierre Brück liebte Märsche und seichte Klassik. Ich entschied mich für Vivaldi, die ›Vier Jahreszeiten‹. Das kleinere Übel.
    |8| Die Schiebetür öffnete sich. Lotte brachte zwei Teller mit der Vorspeise.
    »Schön«, hauchte sie und horchte eine Sekunde regungslos und mit geschlossenen Augen auf Vivaldis Flöten.
    Geschickt wie eine geübte Kellnerin platzierte sie die Vorspeisen auf den Platztellern. Sie ging dabei ein wenig in die Knie
     – und ich fragte mich, ob ich das wirklich verdient hatte. Diese Frau tat das alles für mich. Nur für mich. Während ihr Gatte
     jenseits der Grenze in Dienstgeschäften unterwegs war. Sie strahlte mich an. Ich konnte mich nicht an ihr sattsehen. Dann
     bemerkte ich, dass sie auf etwas wartete, sie zeigte mit einer federleichten Bewegung auf meinen Stuhl.
    »Wir sollten anfangen.«
    Das klang so, als hätten wir noch einiges vor. Nach dem schönen Essen, das sie für mich zubereitet hatte. Lotte schenkte Wein in die schweren Kristallgläser, die Pierre Brück
     sicher liebte. Natürlich Roten. Etwas anderes kam dem Bürgermeister nicht ins Haus. Er war schwer und pelzig. Ich mag keinen
     Rotwein, dennoch schnalzte ich nach dem ersten Schluck mit der Zunge.
    » Bon appétit «, sagte Lotte und lächelte.
    So hatte ich sie noch nie lächeln sehen. So selig. Früher waren mir Frauen, die so selig lächelten, immer etwas naiv erschienen.
     Doch bei Lotte war dieses Lächeln ganz anders. Kraftvoll. Weise. Mit sich und der Welt im Reinen. Ich wünschte mir, in diesem
     Lächeln zu versinken.
    Lotte zog die Schürze aus. Der schwarze Seidenpullover war tief ausgeschnitten. Ihr Busen wogte bei jeder Bewegung. Ich musste
     mich zwingen, nicht hinzuschauen. Ich wurde unruhig. Es lag etwas in der Luft.
    Schweigend aßen wir die Vorspeise. Es war eine selbst gemachte Paté. Aus Hasenleber. Mit schwarzen Waldpilzen und Kräutern
     aus Lottes Garten. Das dunkle, noch etwas feuchte Brot stammte vom Schaurener Bäcker Rousseau. Ich genoss das Essen. Jetzt
     erst wurde mir bewusst, wie hungrig ich war.
    Als ich nach einer Weile, von der Stille etwas verwirrt, aufsah, |9| bemerkte ich, dass sie mich anschaute. Ihr Blick ruhte auf mir. Das machte mich noch nervöser. Aber ich sah in ihren Augen
     etwas, was mir gefiel: Stolz und Wohlwollen. Es behagte ihr, dass ich andächtig aß, sie erfreute sich an meinem Genuss. Sie
     war die Göttin der Ernte und der Fruchtbarkeit – und ich war ihr Knecht, den sie beschützte.
    Danach gab es terrine au canard .
    »Pierre geht alle vierzehn Tage auf Entenjagd. Meistens verschenkt er seine Beute. Aber diesmal profitieren wir von der Treffsicherheit
     meines Mannes«, flötete sie und nahm einen Schluck Bordeaux.
    Das traf mich wie ein Blattschuss: meines Mannes . Warum redete Lotte mit mir in diesem Hausfrauen-Jargon? Wollte sie mich durch ihre Bodenständigkeit beeindrucken? Oder wollte
     sie mich abkühlen? Spürte sie, wie weit ich bereits war? Dass ich drauf und dran war, ihr zu verfallen? War das der gesunde
     Instinkt der Bürgermeistersgattin? Ihr schönes Familienleben, ihre Honoratiorenexistenz – wollte sie mich mit der Nase darauf
     stoßen? Damit ich es gar nicht erst wagte, sie zu bitten, das alles für mich aufzugeben?
    Was für ein Elend. Ich war bereit, alles aufs Spiel zu setzen. Die Welt aus den Angeln zu heben für Lotte Brück aus Schauren.
     Und sie parierte meine Gefühle mit einer läppischen Bemerkung über ihren treffsicheren Gatten, nahm mir den Wind aus den Segeln. Mein Mann. Mein Mann. Mein Mann . Diese zwei Worte waren wie Peitschenschläge. Ich witterte etwas. Ein Unglück.
    Lotte schien das alles gar nicht zu bemerken. Sie war die Fee, die nicht

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