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Bollinger und die Barbaren

Titel: Bollinger und die Barbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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darüber erschienen, dass die Schaurener Gemeindeverwaltung
     gewisse Zuwendungen für die freiwillige Feuerwehr gestrichen hatte. Es war deshalb zu einem handfesten Krach gekommen. Die
     Feuerwehrleute – in den Dörfern der Region hoch geachtete Leute, die einem regen Vereinsleben nachgingen – hatten sich bitter
     darüber beschwert, dass ihnen die Kommune, für deren Sicherheit sie sorgten, ausgerechnet die Unterstützung verweigerte, die
     sie traditionell für ihre sozialen Aufgaben erhielten. Die Gemeindeverwaltung hatte darauf erwidert, angesichts knapper öffentlicher
     Kassen sei es nicht zu verantworten, dass Steuergelder für Grillfeste und Besäufnisse verschwendet würden.
    Mir war das etwas kleinlich vorgekommen – immerhin unterhielt die freiwillige Feuerwehr eine Jugendbrigade, sie ging in |23| Schulen und war auch in Katastrophenfällen für die technische Unterstützung zuständig. Doch die Gemeindevertreter hatten die
     Kritik der Feuerwehrleute pariert – sicher nicht ohne die Billigung des Bürgermeisters: Eine Feuerwehr sei weniger fürs Festefeiern
     als für die Brandbekämpfung da, und dabei habe sich die Freiwillige Feuerwehr Schauren in den letzten Jahren nicht gerade
     hervorgetan.
    Eine Welle der Entrüstung war daraufhin durch das Dorf gegangen, und mir war es so vorgekommen, als ob Pierre Brück diesmal
     zu weit gegangen wäre. Nach dem Auftritt der Schaurener Feuerwehrleute am Wackesberg verflüchtigte sich dieser Eindruck jedoch
     wieder: Offensichtlich lag unser Bürgermeister mit seiner Einschätzung der Freiwilligen Feuerwehr Schauren gar nicht so falsch.
     Wahrscheinlich war sie am Abend wieder ihrem kulturellen Auftrag nachgegangen und hatte bei einem Grillfest kräftig Alkohol
     konsumiert. Das erklärte auch das späte Erscheinen der Truppe und ihr derangiertes Aussehen.
    Lotte stieg aus, begrüßte ein paar Schaurener, stöckelte um den Wagen herum, öffnete den Kofferraum und holte eine Kiste mit
     kleinen Gläsern hervor. Dann zog sie eine Flasche Schnaps aus einer Kühlbox, goss davon in die Gläser und reichte eines dem
     Feuerwehrhauptmann. Der rief seine Männer zusammen, die sofort alle Schläuche fallen ließen und zur madame le maire eilten. Lotte wurde von jedem der Herren mit Handschlag begrüßt und musste natürlich mit der Metzer Berufsfeuerwehr anstoßen.
     Angesichts der Querelen um die örtliche freiwillige Feuerwehr konnte man diesen Auftritt der Frau Bürgermeister nur als eine
     Unterstützungsaktion für die unpopuläre Sparpolitik ihres Gatten werten.
    Lotte musste natürlich den Einsatzleiter abküssen. Wie ich diese affige Sitte der Franzosen hasste! Dagegen war die deutsche
     Distanziertheit nobel und hygienisch. In Deutschland würde auch kein Einsatzleiter seine Leute mit der Bürgermeistergattin
     Schnaps trinken lassen, während der Brandherd noch glühte. Wir waren eben in Frankreich.
    |24| Hinter der gut gelaunten Gruppe brannte derweil die Ruine des Wackesberges nieder. Ich hatte mir bisher nur wenige Gedanken
     über das verkommene Gelände gemacht. Nun fragte ich mich aber, wozu das fabrikähnliche Gebäude mit den hohen Backsteinmauern
     und den schmalen Fenstern einmal gedient hatte. Vielleicht hatte hier die landwirtschaftliche Kooperative ihren Sitz gehabt,
     die jetzt draußen auf der Hochebene – durch ihre beachtlichen Silos weithin sichtbar – in einem modernen Komplex aus Stahl
     und Glas residierte. Oder es war die Keimzelle der Alugros-Werke gewesen, die nun in chromblitzenden Hallen ihre Verblendungsbleche
     produzierten und, wie Louis Straßer mir erzählt hatte, einmal als kleine Schmiede in Schauren begonnen hatten.
    Auf einmal bemerkte ich etwas am Fuß des Gemäuers. Eine Veränderung in der Asche. In einem Erdloch bewegte sich etwas. Trotz
     der Hitze, die im Innern der Ruine herrschte. Ein Lebewesen.
    »Alarm!«, schrie ich.
    Die Feuerwehrleute wandten sich mir nur widerwillig zu.
    »Da ist etwas! Dort ... dort an der Mauer.«
    Sie tranken ihre Gläser leer und schauten hinein, als könnten sie darin die Zukunft erkennen.
    »So tut doch was!«
    Das Lebewesen kroch vom glühenden Mauerwerk weg. Wie konnte jemand in dieser Glut überlebt haben?
    Ich rannte zu Miller hin und machte ihn darauf aufmerksam, dass sich etwas in der brennenden Ruine regte. Miller verstand
     nicht. Ich zog ihn näher an den Wackesberg heran. Die Hitze war schon nach wenigen Schritten so unerträglich, dass wir mit
     den Unterarmen unser

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