Bombengeschäfte
Saudi-Arabien zu liefern. Damit ändert die Bundesregierung eine jahrzehntealte Linie, dem autoritär geführten Königreich keine schweren Waffen zu liefern.“ 162 Bislang hatte die schwarzgelbe Bundesregierung stets versichert, eine restriktive Rüstungsexportpolitik zu verfolgen. Außenminister Guido Westerwelle nannte sich selbst einen „Abrüstungsminister“. Kanzlerin Angela Merkel bekundete im Mai 2011 während des Arabischen Frühlings den Demonstranten in Ägypten und Tunesien ihren Respekt und versprach deutsche Hilfe. Nun sollte ausgerechnet ein autokratisches Regime, eine Menschenrechte missachtende Monarchie, deutsche Leopard 2A7+ erhalten? Friedensgruppen, Kirchen, Menschenrechtsorganisationen und die Oppositionsparteien im Bundestag prangerten die geplante Ausfuhr der Panzer und die Zustimmung der Bundesregierung zu dem Deal an.
Während im Plenarsaal die Opposition der Regierung vorwarf, dass deren Außenpolitik der Kompass fehle, demonstrieren draußen vor dem Reichstagsgebäude Hunderte Friedensaktivisten. „Panzerexport nach Saudi-Arabien stoppen“ und „Keine Panzer nach Riad“ prangt auf Transparenten. Eine Frau mit riesiger Merkel-Maske steht hinter einer Panzerattrappe, auf der „Riad 2012?“ gedruckt ist. Auf anderen Panzern prangt in weißen Lettern „Damaskus 2011“ und „Peking 1989“. Die Aktion soll darauf hinweisen, dass der Arabische Frühling auch Saudi-Arabien erreichen könnte. Gegner des Rüstungsdeals befürchten, dass künftig Demonstrationen in der arabischen Welt mit deutschen Panzern zusammengeschossen werden.
Wenn demokratische Proteste durch Diktaturen niedergeschlagen wurden, wie auf dem Tiananmen-Platz in Peking 1989, beim Prager Frühling 1968, beim Arbeiteraufstand in der DDR 1953 und in Polen 1970, dann rollten stets auch Panzer gegen den Widerstand an. Das Foto eines Chinesen, der sich vor dem Platz des Himmlischen Friedens ganz allein einer Panzerkolonne in den Weg stellte, ging um die Welt. Das Magazin
Time
kürte ihn zu den 100 einflussreichsten Menschen des 20. Jahrhunderts. 163
Von den Protesten auf der Wiese vor dem Reichstag ist im Gebäude nichts zu hören. Auf einer der Zuschauertribünen, die in luftiger Höhe in den Plenarsaal hineinragen, sitzt Winfried Nachtwei und schaut dem Treiben unter ihm zu. Der Blick aus der Vogelperspektive auf den Parlamentsbetrieb ist ungewohnt für den früheren Politiker. Bis zum Sommer 2009 mischte er aktiv und engagiert auf der großen Bühne mit. Nachtwei, pensionierter Lehrer, früherer Bundestagsabgeordneter der Grünen, Verteidigungsexperte seiner Partei, bei allen Fraktionen wohlgelitten und geachtet, schaut der Debatte zu. Er ist über das Verhalten der Regierung entsetzt. Später notiert er in dem Tätigkeitsbericht eines Politikers im Ruhestand: „
Vorher in der Fragestunde sagt StS Otto nichts, nichts … Bin beschämt und zornig wie lange nicht. Möchte am liebsten dazwischen brüllen. Aber dann wäre mein lebenslanger Zugang zum Bundestag weg
.“ 164
Dem Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Hans-Joachim Otto fiel die undankbare Aufgabe zu, sich in der Fragestunde des Parlaments ins Ungefähre zu flüchten. Er weigerte sich, das Rüstungsgeschäft mit Riad zu bestätigen, wollte es aber auch nicht dementieren. Otto berief sich auf Geheimhaltungsinteressen der Bundesregierung, die das Parlament lediglich nachträglich im jährlich vorzulegenden Rüstungsexportbericht über erteilte Genehmigungen zu Waffenausfuhren unterrichten müsse. Damit zog er sich den Zorn der Opposition zu. Nicht nur der ehemalige Abgeordnete Winfried Nachtwei bewertete den anstehenden Export von Kampfpanzern an Riad als Tabubruch. Auch aktive Parlamentarier seiner Partei, ebenso von der SPD und der Linkspartei, empfinden so. Scham empfinden auch Abgeordnete der Regierungsparteien. Zu deutlich wird: Bei der Panzerlieferung geht es um das wirtschaftliche Interesse der Rüstungsindustrie, nicht um außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesregierung. Zwischen 1,7 und 3 Milliarden Euro könnten der Generalunternehmer des Leopard 2, Krauss-Maffei Wegmann, und die zahlreichen Zulieferbetriebe gemeinsam verdienen. Abgeordnete der Unionsbundestagsfraktion äußern ihren Unmut jedoch lediglich in Hintergrundgesprächen, Namen dürfen nicht genannt werden. Niemand will bei Kanzlerin Merkel oder Union-Fraktionschef Volker Kauder durch Illoyalität auffallen.
Saudi-Arabien hatte in der Vergangenheit mehrfach
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