Bombenstimmung: Tannenbergs sechster Fall
hätte genauso gut auch ein Auto in die Luft sprengen können. Oder ein anderes Kunstwerk. Ich denke, dass für ihn nur eins wichtig war: Die Detonation musste von einer Webcam aufgezeichnet werden und im Internet live zu sehen sein.«
»Wenn du mit deiner Theorie richtig liegst, würde das aber bedeuten, dass möglicherweise der Tod von Dr. Winkelmann vom Täter gar nicht beabsichtigt war.«
»Ja, die Vermutung liegt nahe.«
Tannenberg brummte nachdenklich. »Du behauptest also, dass der Tod von Dr. Winkelmann reiner Zufall war, so etwas wie ein Kollateralschaden.«
»Diesen Begriff mag ich zwar nicht besonders, Wolf, aber die Sache trifft er schon. Ja, sein Tod war meines Erachtens ein bedauerlicher Zufall. Das hätte auch jeden anderen treffen können – oder eben auch keinen. Es ging dem Täter ja vor allem darum, Druck auf die Leute von Event-TV auszuüben. Und mit diesen wirklich spektakulären Sprengungen hat er ihnen genau den Beweis seiner Brutalität geliefert, mit dem er seinen Erpressungsversuch wirksam untermauern konnte.«
»Gut. Dann konzentrieren wir uns jetzt ganz auf diese Hypothese. Falls es sich doch um einen Anschlag mit terroristischem Hintergrund handeln sollte, tangiert uns das sowieso nicht. Die Prüfung dieser Hypothese überlassen wir gerne den Kollegen des Staatsschutzes.«
Der Leiter des K 1 beschrieb mehrere Zettel und befestigte sie an der Pinwand. »Gut. Nun weiter im Text.« Er verweilte einen Augenblick, schien nach dem richtigen Anknüpfungspunkt zu suchen. »Okay. Dieser Anschlag nährt die Vermutung, dass wir es unter Umständen mit einem Einheimischen zu tun haben. Denn zum einen wusste er, wo sich die Webcam befindet, nämlich oben im ASG. Das weiß …«
»Vielleicht ist der Täter ja der Hausmeister des Albert-Schweitzer-Gymnasiums«, warf Dr. Schönthaler dazwischen.
Tannenberg wusste diese Bemerkung nicht so recht einzuordnen. Hatte sein Freund gerade einen ernsthaften Beitrag leisten wollen oder hatte es sich dabei einmal mehr um einen seiner berühmt-berüchtigten Scherze gehandelt? Deshalb notierte er zwar diesen Einwurf auf seinem Block, versah ihn jedoch mit einem großen Fragezeichen.
Anschließend fuhr er fort: »Und zum zweiten hat er bei seinem Telefongespräch mit dem Regisseur vom ›Ofenrohr‹ gesprochen. Also besitzt er nicht nur eine gute Ortskenntnis, sondern weiß auch über diesen Spitznamen Bescheid. Was wiederum für einen Einheimischen spräche.« Er schaute in die Runde. »Kritische Anmerkungen dazu, werte Kollegin, werte Kollegen?«
Da niemand irgendwelche Einwände geltend machte, schnitt er nun andere wichtige Fragen an: »Woher hat der Täter den Sprengstoff? Und woher hat er die Kompetenz, damit umzugehen?«
»Vielleicht doch ein terroristischer Hintergrund? Politikermord verbunden mit einer Erpressung zur Geldbeschaffung?«
»Ja, Sabrina, mir spukt diese Option auch noch immer im Kopf herum«, entgegnete Dr. Schönthaler. »Auch wenn dein störrischer Chef natürlich recht damit hat, dass sich darum der Staatsschutz kümmert. Aber wenn es keine Terroristen waren, dann reduzieren sich natürlich die Verdächtigen auf den kleinen Kreis derjenigen, die in der Lage sind, sich Sprengstoff zu beschaffen.«
»Dieser Kreis ist aber gar nicht so klein, wie du in deinem weltfremden Medizinerhirn vielleicht denkst«, wandte Tannenberg in überheblichem Ton ein. »Denn heutzutage bekommst sogar du in Berlin und weiter östlich davon alles, was du haben willst. Inklusive einer Unterweisung, wie du relativ gefahrlos damit umgehen kannst.«
»Danke für den Tipp. Da fahr ich nächstes Wochenende doch gleich mal hin und besorg mir was. Schließlich hab ich einige auf meiner schwarzen Liste. Du stehst übrigens ganz oben.«
Unbeeindruckt führte Tannenberg seinen kleinen Fachvortrag fort: »Außerdem finden sich im Internet genügend Anleitungen, wie man aus frei verkäuflichen Chemikalien hochexplosive Sprengsätze basteln kann. Erinnert euch nur mal an die verheerenden Bombenanschläge in London. Das Zeug dafür haben sich die Attentäter ganz legal in Apotheken zusammengekauft.«
»Diese Frage sollten wir vielleicht verschieben, bis meine LKA-Kollegen den verwendeten Sprengstoff identifiziert haben«, schlug der Kriminaltechniker vor. »Danach gibt es nämlich sehr gute Chancen, die Herkunft des Sprengstoffs näher zu bestimmen.«
»Okay, Karl, vertagen wir dieses Thema«, stimmte Tannenberg zu. »Unser liebes Sabrinalein ist zu gegebener
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