Bondage (German Edition)
Schnauze gegen eine versteckte Platte in der Wand – die Tür öffnet sich leise. Na danke ... ein Fußtritt an die richtige Stelle hätte gereicht, und die Tür wäre auf gewesen. Und dann geht alles ganz, ganz schnell. Abu Ashraf nimmt Anlauf und springt in den Raum hinein, auf einen Typen mit verkrüppeltem Bein, und beißt ihm den Kopf mit einem einzigen Biss ab. Dann packt er den Typen am Arm und zerrt ihn in eine Ecke des Raums. Der Kopf fliegt durch einen Tritt der rechten Hinterpfote – die linke fehlt ihm – hinterher.
Ich jedoch habe nur Augen für meinen Mann, der auf einem Tisch liegt, der einer Streckbank ähnelt, und der sich nicht rührt.
Von Carlos keine Spur.
Meine erste Reaktion ist es, Shahin den Puls zu fühlen. Ich finde ihn auf Anhieb, schwach, aber vorhanden. Und er atmet noch, zwar unregelmäßig, aber er atmet. Seine Hände, die Hüfte und die Beine sind mit einem Stahlseil gefesselt. Darunter ist seine Haut ganz schön aufgescheuert, an zwei Stellen sogar aufgeplatzt. Aus seinem Po läuft ein kleines Rinnsal aus Blut, und auf seinem Bauch ist Sperma. Nicht seines, nehme ich an.
Ich könnte es probieren, um es definitiv sagen zu können, aber ich möchte nicht das Risiko eingehen, dass es nicht Shahins ist. Beziehungsweise ich weiß, dass es nicht seines ist, als ich das Gummi finde, das jemand achtlos neben dem Tisch fallen gelassen hat und an dem Blut klebt. Shahins Blut, nehme ich an.
Da ich die Stahlseile nicht lösen kann, nehme ich ein Tuch vom Beistelltisch und versuche, die Blutung am Hintern zu stillen, was mir auch relativ gut gelingt.
Als Abu Ashraf auf den Tisch springt, erschrecke ich im ersten Moment, aber als er die Stahlseile an Shahins Handgelenken, der Hüfte und seinen Beinen so einfach durchbeißt, als esse er Gummibärchen, ist mir klar, wer meine Kette durchgebissen hat. Aber ich habe jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken, denn er springt vom Tisch und läuft zu der Schiebetür.
Ich hebe Shahin ganz behutsam auf meine Arme und trage ihn zu der Tür, die Abu Ashraf sozusagen im Vorbeigehen schließt. Dann bringen wir ihn in den kleinen Raum, und als wir die Tür auf der anderen Seite öffnen, stehen wir mitten in Seths Thronsaal. Ich staune nur über diese Funktionsweise, sage aber nichts. Mein Mann ist wichtiger.
„Vertraust du ihn mir an?“, fragt Delora mich.
Ich habe sie nicht kommen sehen, aber es ist gut, dass sie jetzt da ist. „Du musst deine anderen Freunde retten. Ich werde ihn so lange stabilisieren und seine Wunden am Körper heilen. Die an der Seele werden eine Weile brauchen, leider.“
„Du passt auf ihn auf?!“, sage ich, mehr bestimmend als fragend, und sie nickt nur. Dann folge ich Abu Ashraf, der wieder in Richtung des kleinen Raums gelaufen ist. Dort folgt das gleiche Spiel, ich schließe die eine Tür, warte einen Moment, öffne die andere und stehe in einem Gang.
Dieses Mal ist es witzigerweise ein anderer Gang, er ist höher und breiter, und an beiden Seiten des Gangs sind Fackeln befestigt statt nur an einer. Seltsamerweise endet der Gang in einer Sackgasse. Die Mauer am Ende des Tunnels ist wesentlich dunkler als die Wände.
„Sie sind da drin“, erklärt Abu Ashraf. „Eingemauert.“
Ich schaudere. Mit welchem Teufel in Menschengestalt haben wir es da eigentlich zu tun?
„Vertrau mir“, knurrt Abu Ashraf. „Komm mit!“ Und dann dreht er sich um und geht einfach durch die Wand durch. Einfach so! Ich habe es genau gesehen. Er ist kurz durchscheinend geworden und durch die Wand durchgegangen, als wäre sie ein Vorhang.
„Wie soll ich das machen?“, rufe ich gegen die Wand, und bin ratlos.
Als ich nach einer Weile immer noch keine Antwort erhalten habe, strecke ich meine Faust aus, um mit voller Wucht gegen die Mauer zu schlagen. Vielleicht hört Abu Ashraf das ja, hoffe ich, und hilft mir.
Leider gelingt mir das nicht, denn meine Hand geht durch die Mauer durch, als wäre sie aus Papier. Nanu? Ich bin so verwundert, dass ich zuerst meinen Kopf hindurch stecke, bis ich bemerke, dass ich wirklich durch die Wand gehen kann.
„Nur dieses Mal“, knurrt Abu Ashraf, der auf der anderen Seite auf mich gewartet hat. „Ich mache dich gleich wieder sichtbar“, hechelt er.
In der linken Ecke des Raums sitzen unsere beiden tüchtigen Polizisten eng umschlungen. Lars scheint sogar zu weinen, während Nora seelenruhig zu schlafen scheint. Die Luft ist dünn und staubig, weswegen ich mich verschlucke und einen
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