Bondage (German Edition)
eigentliche Gefühl in der Wahrnehmung von dem Luftpolster erzeugt wird, das zwischen den Fingern und der Haut entsteht und durch zunehmende Nähe der Finger beiseitegeschoben wird ... aber im Gegensatz zu dieser Art von Berührung durch Brix empfinde ich bei Lars nur Beruhigung, wohl gemeintes Streicheln, nichts Elektrisierendes oder Wohltuendes wie bei Brix, sondern nur Kühle, die mich abstößt und ein wenig verwirrt.
Kapitel Sieben
Shahin
„Wie heißt diese Nora mit Nachnamen?“ Sven sitzt am Tisch und hat sich von mir nach einer Weile Diskussion, die von mir eher beschwörend und von ihm fast neutral geführt wurde, so als ginge ihn all das hier nichts an, davon überzeugen lassen, dass wir doch Nora anrufen müssen. Ich zucke mit den Schultern.
„Ich weiß es nicht. Ich hab mich nie so sehr mit dieser Frau beschäftigt, um das wirklich zu wissen.“
„Aber es ist doch ne Freundin von Brix“, wirft Lars fragend ein. Ich nicke langsam.
„Es ist eine Freundin von Brix, die mich nicht leiden kann“, entgegne ich mit müdem Lächeln.
„Ich werd mal im Arbeitszimmer nachsehen, vielleicht finde ich noch die Gästeliste von unserem ‘Faceless Frogs’ -Event, da war sie nämlich eingeladen.
Und in solchen Momenten bestätigt sich wieder der Sinn meiner Ordnung, und dass ich eigentlich nichts, was irgendwann mal wichtig werden könnte, wegwerfe – zumindest nicht sofort. Ich finde nämlich die Gästeliste, zwar nicht auf den ersten Griff, aber auf den Zweiten ... beziehungsweise fünften, denn ich suche nicht wirklich lange nach dem Ordner, in dem die Unterlagen zu diesem Event sind, und zwei Minuten später habe ich auch die Gästeliste in der Hand und damit Noras Identität.
Nora Zimmermann. Ich wusste, dass sie einen einfachen Nachnamen hat, und dass es irgendwas mit nem Handwerksberuf zu tun hat. Brix hatte das irgendwann mal erwähnt, aber es hätte genauso gut auch Nora Müller, Nora Bäcker, Nora Metzger oder Nora Küfer sein können. Theoretisch sogar Nora Kräutersammler, kurz: Nora Hexe.
Das sage ich Sven natürlich nicht, sonst denkt er, ich wäre völlig übergeschnappt und lässt mich noch ne Nacht zur Beobachtung nach Niederrad einweisen ... in die Balla-Burg. Da war ich übrigens einmal, in Bonn, als ich das allererste Mal in meinem Leben besoffen von einer Party nach Hause laufen wollte, und vergessen hatte, wie ich hieß – mal abgesehen davon, dass ich meine Adresse auch nicht mehr wusste. Das muss auf einer dieser zahlreichen Partys gewesen sein, zu denen ich im Laufe meiner Abiturzeit bei meinen Schulkameraden eingeladen war, meist von Jeanette, meiner ehemals besten Freundin, und bei denen wir eigentlich nie was anderes gemacht haben außer Rotwein trinken und über die böse Männerwelt herziehen.
Jeanette war übrigens der einzige Mensch, der mein volles Coming-out mitbekommen hat. Alle anderen, auch meine Eltern, haben nur Bruchstücke erlebt – und auch das dürfte zu viel für sie gewesen sein, auch wenn ... naja, inzwischen habe ich zu meinen Eltern zumindest ein loses, freundliches Verhältnis, auch wenn wir uns seit ich zu Hause ausgezogen bin, nur ein- oder zwei Mal gesehen habe.
Ob das jetzt anders wird, wenn ich wieder in Bonn lebe? Ich meine, selbst wenn ich meinen Eltern, die immer noch in Bad Godesberg in genau dem gleichen Haus leben wie damals, nicht Bescheid gebe, dass ich wieder in Bonn lebe, so werden sie es doch irgendwann erfahren, denn natürlich kennen mich die meisten Nachbarn noch ... und irgendwann wird mich einer von denen in der Stadt sehen ... und wenn sie noch die gleichen Instinkte haben wie früher, als wir noch in der Wüste lebten, und die sie mich gelehrt haben, dann werden sie es instinktiv spüren.
Nora Zimmermann. Im Telefonbuch gibt es gleich zwei, aber bei der einen Nummer geht keiner ran und bei der anderen Nummer läuft ein AB: Mist. Trotzdem spreche ich auf den Anrufbeantworter, in der Hoffnung, dass es die richtige Nummer ist und dass Nora mich zurückruft, während ich vom Handy aus die andere Rufnummer versuche, immer und immer wieder. Doch ich bleibe erfolglos.
Es dauert fast eine Stunde, bis unser Telefon klingelt und Nora dran ist.
„Was möchtest du von mir?“, fragt sie mich, und ich kann ihr maliziöses Lächeln beinahe durchs Telefon sehen.
„Ich brauche deine Hilfe, Nora“, versuche ich sie in neutral-freundlichem Ton zu überzeugen. „Und ich würde dich bitten, dass wir unsere Animositäten
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