Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
Vom Netzwerk:
selbst nannte, «gescoutet», und zwar in irgendeiner Hot-Sex-Ausgabe von Cosmopolitan , für die er ein paar Models auf eine Weise gefesselt hatte, die, das ließ sich nicht leugnen, Erfahrung und handwerkliches Können verriet. «Du hast aber eine empfindliche Nase», sagte ich. «Unter den Fundamenten fließt ein unterirdischer Arm des Los Angeles River. Teile des Kellers stehen unter Wasser.»
    Vince betastete kurz sein Riechorgan. Schweigend musterte er die Wände aus Nussbaumholz. Weil sein Rückflug nach Cleveland erst am Abend gegangen war, hatte ich ihn nach dem Vorstellungsgespräch zu einer Bagels Factory am Ventura Boulevard mitgenommen, und indem ich selbst die meiste Zeit schwieg und immer wieder nachfragte, hatte ich das eine oder andere über diesen dreiundvierzigjährigen Mann herausbekommen können. Etwa dass er noch bei seinen Eltern wohnte, einem Ehepaar, das sich seit einem halben Jahrhundert mit folgsamer und, so entnahm ich seinen Worten, wahnsinnig machender Hingabe den Cleveland Indians verschrieben hatte. Vince’ Mutter stand hinter der Verkaufstheke eines der Fanshops im Stadion, und sein Vater war der auf Händen getragene Zeugwart vieler Generationen von Baseballspielern, die alle etwas leisteten, was Vince junior garantiert nicht leistete. Vielleicht hatte der Sohn ja gerade deshalb eine beeindruckende Reihe von leidenschaftslosen Fehlschlägen hingelegt: Nach dem sich hinziehenden Ausscheiden aus einem Sicherheitsdienst (gravierende Schlafrhythmusstörungen mit sich daraus ergebenden depressiven Zuständen) und anschließender jahrelanger Arbeitslosigkeit war es Vince – ungeachtet einer Handvoll von abgebrochenen Umschulungsmaßnahmen, unter anderem zum Schlosser und Punktschweißer – gelungen, sich seiner rheumatischen Gelenke und der Schuppenflechte wegen dauerhaft arbeitsunfähig schreiben zu lassen.
    Rusty durchquerte die Lobby und stand mit einem Bein auf der uns gegenüberliegenden Treppe. «Eine kurze Führung», rief er mit lautem Hall. «Ich sehe, unser Gast hat seine Wanderschuhe an.» Ich ließ Vince vorgehen.
    Es störte und amüsierte mich, das Pseudo-Expertentum, mit dem Rusty seinen neuen Freund einweihte, der Eifer, mit dem er über architektonische Details der Barracks loslegte – die auch ein bisschen meine Barracks waren, sollte man meinen, doch davon war nichts mehr zu spüren. Er erzählte von seinem Plan, die Kaserne mit seiner Kunstsammlung zu verschönern, dem «Heureka-Erlebnis», das er im Getty gehabt hatte. Ich sah ihn auf diesem olympischen Hügel stehen, seinen Winz-Rembrandt wärmend im Rücken, Los Angeles zu seinen Füßen, und sich dem Traum von einem eigenen Museum hingeben, einem Anti-Museum, einem hedonistischen Museum am hässlichsten Ort der Welt, im verschlossensten, feuchtesten, lichtärmsten Steinklotz, den man sich vorstellen kann.
    Vince dackelte hinter ihm her, auf seinem Gesicht ein Ausdruck, der sich zwischen vollkommener Entspannung und dem Anflug eines dämlichen Lächelns eingependelt hatte, ab und zu nickte er zustimmend, oder aber er gab irgendetwas Monosyllabisches von sich, über das ich mich ärgerte, «hoch», «flach», «Holz», «Rost». In Cleveland, so hatte er mir erzählt, verbrachte er ein paar Nachmittage pro Woche in einem Hafenschuppen, den seine Eltern für eine soziale Einrichtung hielten, eine Werkstatt, in der Maschinen verkabelt wurden, so dachten sie, tatsächlich aber verkabelte er dort, gemeinsam mit zwei Kumpels, der eine geschäftlich, der andere künstlerisch pervers, junge Frauen, das Einzige, in dem er sich in all den einsamen Jahren ernsthaft qualifiziert hatte.
    Auch diese Entwicklungsgeschichte hätte mich zu Tränen rühren können, wenn ich Vince nicht so abstoßend gefunden hätte, widerlich in physischer Hinsicht, aber auch dumpf und beschränkt unter seinem schuppigen Schädel. Der Umgang mit Frauen lag ihm nicht («Krusten und Flechten», murmelte er, «all over» , wobei er seine Hände wie ein Magnetiseur über den eigenen Rumpf und die Schultern kreisen ließ); einmal in seinem Leben hatte er eine Freundin gehabt, eine kurze Liebelei, die er sofort voller Panik beendete, als die Eltern des Mädchens ihn an der Haustür baten, die Schuhe auszuziehen. Sein tiefsitzendes Verlangen, Frauen zu fesseln, stammte aus viel früherer Zeit, schon als Elfjähriger, so gestand er unter Tränen, bekam er eine Erektion, wenn «ein Weib» mit einem Knebel im Mund dalag und auf Roger Moore wartete. Das

Weitere Kostenlose Bücher