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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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erinnert. Einer der Männer deutet auf die hüpfenden Körner, vielleicht hat er noch nie Hagel gesehen, jedenfalls nicht an einem 13. Mai.
    Ein, zwei Jahre lang ist er der Lauftrainer von Jonis Turngruppe gewesen, seit ihrer Rückkehr aus Amerika turnte sie bei einem Verein in Enschede, der «Sportlust» hieß, und eines Tages fragte sie ihn, ob er nicht Lauftrainer werden wolle. Er glaube, das würde ihm Spaß machen, hatte er erwidert, und es machte ihm wirklich Spaß: einmal die Woche mit dreizehn Dreizehnjährigen eine Runde durch den Wald bei Drienerlo. Kurz vor seinem Sommerurlaub saßen die Vorsitzende und der Trainer bei ihm im Wohnzimmer, um das Ganze zu besprechen, und gleich danach strömten an den Mittwochabenden magere Zahnspangenschnäbelchen im Trainingsanzug in Richtung Bauernhaus, ein Treffpunkt, der Joni schon bald weniger behagte, weil all die Mädchen hin und wieder wegen Hausaufgaben, Krankheit, Schwäche oder Übelkeit absagten, und das konnte Joni nicht so einfach. Er überlegte sich eine nicht allzu zimperliche Strecke von rund vier Kilometern Länge. Sie liefen den Langekampweg entlang nach Süden, nahmen ein Stück des Campus mit, inklusive der Düne des Motocross-Clubs («O nein, Herr Sigerius, kein weicher Sand !»), anschließend führte der Weg noch ein Stück durch den Wald, bis sie wieder beim Bauernhaus ankamen, wo Tineke sie mit Holunderbeerensirup bewirtete.
    Joni war noch jung genug, um auf ihren sportlichen Vater stolz zu sein, und auch er selbst hätte gern an das Lauftraining zurückgedacht, wenn da nicht dieser Vorfall gewesen wäre. So wie jedes Jahr beteiligte sich «Sportlust» an der Sammelaktion für die Krebshilfe, und Joni und Mirjam, ein kleines, aber sehr präsentes Mädchen, das seine blonden Locken beim Laufen unter ein Stirnband klemmte, zogen zwei lange Nachmittage mit Sammelbüchsen an den Häusern und Wohnungen von Boddenkamp entlang. «Ein Viertel, von dem man annehmen darf, dass dort großzügig gespendet wird, so wie in früheren Jahren», behauptete die Vorsitzende an dem Abend, als er sie anrief, nachdem Joni vom Auswahltraining nach Hause gekommen war und – zunächst zögerlich, dann weinend – erzählt hatte, dass man sie beschuldigte, Geld aus ihrer Sammelbüchse gestohlen zu haben.
    Beim Zählen der Spenden, so berichtete die Frau, sei dem Schatzmeister von «Sportlust» aufgefallen, dass in den Büchsen von Mirjam und Joni kein einziger Fünf- oder Zehnguldenschein steckte und dass ihr Sammelergebnis nicht nur weniger als ein Viertel dessen betrug, was man in den Vorjahren hatte erzielen können, sondern dass es auch das niedrigste von allen Sammelbüchsen war, niedriger noch als das, was man in den, wie sie sich ausdrückte, Asi-Gegenden zusammengetragen hatte. Mirjam turnte in der Dienstagabendgruppe; man hatte sie schon befragt, und nach zehn Sekunden hatte sie alles zugegeben. Laut ihrer Aussage hatten Joni und sie es geschafft, die Scheine mit einem Geodreieck aus den versiegelten Büchsen zu angeln, und anschließend hatten sie das Geld – etwas mehr als einhundertfünfzig Gulden – geteilt.
    Joni war außer sich. Eine solche Verlogenheit. Sie habe nichts damit zu tun. Wie könne ein Mensch bloß so gemein sein! Sie hasse diese Mirjam, sie habe immer schon gewusst, dass sie gemein sei, sie hätte ihr nie vertrauen dürfen. Als sie mit dem Sammeln fertig gewesen seien, das berichtete sie ihm unter Tränen, sei es schon dunkel und Zeit fürs Abendbrot gewesen und Mirjam habe ihr angeboten, beide Büchsen zum Schatzmeister zu bringen, dem zentralen Sammelpunkt ganz in der Nähe der Straße, in der sie wohne.
    Auch er war fuchsteufelswild. «Meine Tochter steht hier schluchzend im Wohnzimmer», sagte er zu der Vorsitzenden, «ich kenne Joni durch und durch, Ihre Anschuldigungen sind grob und vorschnell. Ich gebe es Ihnen schriftlich, dass meine Tochter keine Sammelbüchsen plündert.» Sie verabredeten, dass er zusammen mit Joni vorbeikommen sollte, damit sie ihre Version der Geschichte erzählen konnte, ein Vorschlag, mit dem Joni sich schmollend einverstanden erklärte, erst an dem Abend, als er zur Turnhalle wollte, zog sie ihre Zustimmung zurück. Sie fürchtete, sie könnte in Tränen ausbrechen. Oder fürchterlich wütend werden. Also hatte er sich allein auf den Weg gemacht. Es war ein zähes Gespräch, in dem die Frau dabei blieb, dass Mirjams Wort gegen Jonis stehe, und er darauf beharrte, dass Jonis Name reingewaschen werden müsse.

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