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Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
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Gefängnissen zu tun hatten? Mein Sohn, der sitzt zurzeit.»
    «Wo?» Auch Koperslagers Affinität zu diesem Thema erwies sich als nicht gering, ein dunkler Schleier senkte sich über sein Ordnungshütergesicht, kurz fasste er sich ans glattrasierte Kinn, und Sigerius sah ihn in eine Unterwelt hinabsteigen, die ihn leichter in Erregung versetzte, als er es zugeben würde. Ohne eine Miene zu verziehen, zählte Sigerius die drei Strafanstalten auf, in denen Wilbert bis dahin eingesessen hatte, woraufhin Koperslager ihn fragte: «Verlegungen?»
    «Ich glaube, ja.»
    «Darf ich ehrlich sein?»
    «So ehrlich wie möglich», erwiderte er, und das war für Koperslager offenbar das Startsignal für eine ebenso entmutigende wie überzeugende Darstellung der «Karriere», zu der Wilbert nach seiner unmaßgeblichen Auffassung gerade «drinnen» den Grundstein legte. «Nur die Leitwölfe kommen in ein anderes Gefängnis», sagte er. «Verlegungen kosten Geld und machen Arbeit, ich selbst war darauf nie besonders erpicht. Aber manchmal muss es sein.» Wahrscheinlich war Wilbert ein Mann mit Ansehen, lautete seine Analyse, eine Schlüsselfigur innerhalb seines Blocks, ein Machthaber also, einer der «Haie». Die hätten sie immer rausgepflückt, sagte Koperslager, das seien die Typen, die die Autorität untergrüben, die das Wachpersonal einschüchterten und bestächen, die ständig drinnen und draußen irgendwelche Geschäfte laufen hätten. «Ihr Sohn wird also rumgeschoben. Tja, vielleicht hat er Talent. Wenn ich mir seinen Vater so anschaue: alles andere als dumm, kräftiger Körperbau – wahrscheinlich ist er schnell von Begriff.»
    Koperslagers bevorzugter Kriminologe hatte interessante Gedanken über Gefängnisse geäußert. «Hitler sprach sich wiederholt gegen Haftstrafen und für körperliche Züchtigung aus. Einem Zwanzigjährigen solle man besser mal eine ordentliche Tracht Prügel verabreichen oder eine Hand abhacken – das sagte er 1942, und wahrscheinlich hat er recht. Im Gefängnis lernen sie nur dazu. Gefängnisse, Siem, das sind kriminelle Spitzeninstitute, Konferenzen zum Thema Aggression, Testosteronlaboratorien. Die Männlichkeit dort ist von Körperflüssigkeiten bestimmt, übelstes Machotum, jeder hasst jeden. Vierundzwanzig Stunden am Tag Teilen und Herrschen, Bandenbildung, Protektion. Der weibliche Aspekt fehlt, Fürsorglichkeit gibt es nicht – nur Macht. Da wird erpresst, sexuell missbraucht, randaliert. Du kommst als kleines Würstchen rein und gehst als Gangster wieder raus. Besser einen Fuß abhacken. Davon bin ich überzeugt.»
    Das war das Schreckensszenario, das ihn umgetrieben hatte, und Koperslager war nicht der Mann, der ihn hätte beruhigen können. Ohne jemandem davon zu erzählen, als ginge er zu einer Hure auf einem Wohnboot, fuhr er, wenn er dienstlich in Den Haag, Amsterdam oder anderswo zu tun hatte, bei der örtlichen Vollzugsanstalt vorbei. Es war eine Zwangsneurose: Mindestens fünfmal stand er vor der Strafanstalt in Scheveningen, starrte auf das berüchtigte Tor mit seinen mittelalterlichen Zinnen und fühlte sich schlecht dabei, zutiefst deprimiert – dermaßen angegriffen und deprimiert, dass er von einem Tag auf den anderen die Nase voll davon hatte. Hör auf mit dem Mist. Schluss! Die pönologischen Doktorarbeiten, die Sensationsblätter, die Bücher mit Gefängnisgeschichten, die Videodokumentationen, den ganzen paranoiden Krempel stopfte er in einen grauen Plastiksack und stellte ihn an die Straße.
    Und tatsächlich, in seinem Kopf wurde es klarer, sogar schneller, als er gedacht hatte. Er merkte, dass es stimmte – das Einzige, was wir fürchten müssen, ist die Angst. Er lachte über sich, weil er für Koperslagers Indianergeschichten empfänglich gewesen war, lachte über seine latente Spießerseele und spürte, wie sein Vertrauen in die korrigierende Kraft des Rechtsstaats zurückkehrte, sein Vertrauen in den Menschen an sich.
     
    Er ist fast da. Jetzt wird es rasch dunkel, die Lampions im französischen Ziergarten vor dem Okura leuchten schon. In einhundert Metern Entfernung ragt das Hotel wie ein Pfau aus Glas und weißem Stein in den Himmel, davor der nie versiegende Springbrunnen. (In der Tubantia-Mensa arbeitet ein Koch, der jedem Studierenden in seiner Spülküche die todernste Frage stellt: Sag mal, du studierst doch, hast du nicht Angst, dass das Wasser irgendwann einmal aufgebraucht ist?) Die Grandezza des Jugendstils beeindruckt ihn immer noch, selbst

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