Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bonita Avenue (German Edition)

Bonita Avenue (German Edition)

Titel: Bonita Avenue (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Buwalda
Vom Netzwerk:
ist die Rolle, die Tineke bereits spielte, als er vor langer Zeit wie ein Schiffswrack in der Antonius Matthaeuslaan lag und sie ihn morgens auf einen Kaffee besuchte. Schon damals half sie ihm mit Reden über seine Depression hinweg, tröstete den Untröstlichen mit munterem Verständnis. Und auch jetzt wieder dieses unerschöpfliche Verstehen, allerdings kapierte sie diesmal zum Glück nichts.
    «Ja», murmelte er. «Die Nachricht treibt mich um. Ich hasse diesen Mann. Und ich hasse meinen Sohn.»
    «Ich kenne dich ganz genau», sagte sie. «Vergiss den Jungen. Vergiss sie beide. Dieser Menno, das sind einhundert Kilo Rachsucht. Der ist extra hergekommen, um dir eins auszuwischen. Sie haben Wilbert entlassen, weil er so weit ist, dass er in die Gesellschaft zurückkehren kann.»
     
    Natürlich war die Jubiläumsfeier der Tubantia University bedeutender als er, eine Galionsfigur ist am Bug befestigt, und der Bug ist Teil des Schiffs; alles ging an diesem Donnerstag seinen gewohnten Gang, angefangen mit dem feierlichen Festessen im Kutschhaus Schuttersveld, wo er sich lächelnd am Kopfende der Tafel wiederfand. Beruhige dich!, flüsterte eine besorgte Stimme in seinem Kopf, als er einen Toast auf die Akademie ausbrachte, als er den Rotbarsch vertilgte, als er seine Tischrede hielt. Er dachte: Es ist unmöglich. Statistisch ist es unmöglich, moralisch ist es unmöglich, praktisch ist es unmöglich. Er trank einige Gläser Weißwein, um die Sprechchöre in seinem Hirn lahmzulegen. Um halb zwei in der Nacht trafen er und Tineke schwankend im Bauernhaus ein, und sobald er sich fix und fertig neben sie legte, sank er in einen Waschbärenschlaf. Den ganzen Abend über hatte ihn die Freilassung seines Sohnes nicht eine Sekunde lang beschäftigt. Er hatte nur an Joni denken können.
    Eine Gelegenheit, seinen Verdacht zu bestätigen, fand er nicht. Am nächsten Morgen brachte Tineke ihn in aller Frühe zum Enscheder Bahnhof. Die ersten Computer, die er zu Gesicht bekam, standen in einem von Rucksackreisenden konfiszierten Internetcafé am Flughafen, wo er unentschlossen wartete. Aber noch ehe er an der Reihe war, ging er weiter. Er traute sich nicht. Der gerade erst eröffnete Shanghai Pudong Airport verfügte, wie er elf Stunden später feststellte, nicht einmal über ein Internetcafé.
    Nachdem ein Taxi ihn durch prasselnden Regen und heruntergekommene Vorstädte aus Beton ins Herz der Metropole gekarrt und ihn mehr oder weniger in der Lobby des Okura Garden abgesetzt hatte, entfernte er, noch bevor seine Koffer ausgepackt waren, das Kabel seines Zimmertelefons aus der Buchse und versuchte, sich mit seinem Laptop ins Internet einzuwählen. Als das nicht gelang, rasierte er sich, zog ein sauberes, aber verknittertes Hemd an und fuhr mit dem Fahrstuhl in die Lobby. Er durchquerte das Mausoleum aus goldgeädertem Marmor, schob seinen Schlüssel über den Empfangstresen und bat um fünfzehn Minuten Internet. Ein uniformiertes Mädchen führte ihn in eine Nische mit farbigen Schirmlämpchen, in der drei kommunistische Rechner standen, sie waren durch Milchglasscheiben in Nussbaumholzrahmen voneinander getrennt. Er setzte sich an den Computer ganz hinten. Das Mädchen gab ihm durch Zeichen zu verstehen, dass er warten müsse, beugte sich schräg über ihn (Schweiß und etwas Süßes) und stellte eine digitale Eieruhr ein. Neben der Tastatur, die auf nervenaufreibende Weise anders war als eine Qwerty, befanden sich ein Kugelschreiber an einer Kette und ein würfelförmiger Notizzettelkasten. Mit einiger Mühe fand er eine Suchmaschine, die funktionierte, doch dann stieß er gegen das, was längst als «The Great Firewall of China» weltweit zweifelhafte Berühmtheit erlangt hatte. Er fluchte laut. Der Kugelschreiber blieb liegen, doch der Kunststoffkasten fiel mit einem Knall um, als er der Tischplatte einen unbeherrschten Stoß verpasste. Er konnte die Seite nicht einmal öffnen, und obwohl ihm die Ironie nicht entging (er war in diese rückständige Diktatur eingeladen worden, um seinen repressiven gelben Freunden zu sagen, wie sie ihre verbrecherische Firewall verstärken konnten; über alles wollten sie etwas wissen, Breitbandinternet, bewegte Bilder als Kommunikation der Zukunft, um dann einen Riegel davor schieben zu können, darauf lief es doch hinaus), ärgerte er sich, während er in der Hocke die auf dem Marmorboden verstreuten Zettel einsammelte, maßlos über den quälenden Aufschub.
     
    «Ich brauche kein Geld,

Weitere Kostenlose Bücher