BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)
vergrößern. Seine Vorfahren waren dafür ins Feuer gegangen. Seit Jahrhunderten beschützten die Männer des Bundes das Wissen der Menschheit, damit dieses nicht vom Bösen missbraucht werden konnte. Was bitte schön sollte falsch daran sein? Weshalb sagte sie ihm das gerade heute? Am Tag seines Triumphes. Sie war die einzige Frau, der er vertraute, von der er dachte, dass sie seine Berufung verstand. Wie konnte sie behaupten, dass es nicht recht war, was er tat? Er musste mit seinem Großvater darüber sprechen. Aber nicht sofort, zuerst würde er seinen Aufnahmeritus vollziehen. Dann würde er weitersehen.
Es klopfte und Harold trat ein. Ohne ein Wort legte er einen schwarzen Anzug und ein schwarzes Hemd auf das Bett. Er wusste, dass Nathan den Rest des Tages schweigend verbringen musste. Die Regeln für die Initiation waren eindeutig und mussten strengstens befolgt werden.
Nathan duschte und kleidete sich um, ehe er zurück zum Büro seines Großvaters ging. Batiste erwartete ihn bereits gemeinsam mit einem anderen Mann. Beide waren wie Nathan in tiefes Schwarz gekleidet. Zur Begrüßung deutete Nathan ein Kopfnicken an, das von dem Fremden erwidert wurde. Nathan kannte seinen Namen nicht. Aber nach all den Jahren der Geheimniskrämerei würde er heute Nacht endlich erfahren, wer zum inneren Kreis des Bundes gehörte.
Die beiden Männer gingen voran und brachten Nathan zu einer kleinen Kapelle. Nathan ließ sich seine Verwunderung nicht anmerken. Hier war er nie gewesen. Der Ort war nur den Eingeweihten vorbehalten. Nun würde er die heiligste Stätte des Bundes betreten. Unruhe machte sich in ihm breit. Er würde die Schätze sehen, die seit Jahrhunderten dort verborgen wurden.
Der enge Gang hinunter glich dem Abstieg in eine Gruft. Nathan versuchte, sein Unbehagen zu verdrängen. Mit gesenktem Kopf folgte er den beiden Männern. Am Fuße der Treppe öffnete sein Großvater die schwere Tür und entzündete die Fackeln. Endlich erblickte Nathan den Ort, den er sich in seinen Träumen Hunderte Male vorgestellt hatte. Die Wirklichkeit war eindrucksvoller, als seine Fantasie es je hätte sein können.
Der Anblick der vielen Bücher überwältigte ihn. Sie lagen in den Regalen und boten dem Betrachter ihre wundervollen Einbände dar. Kleine Tische standen zwischen den Regalen und luden zum Lesen ein. Ein Vergnügen, das nur den Perfecti vorbehalten war. Ihnen war es gestattet, in den verborgenen Worten zu schwelgen. Nathan freute sich auf den Tag, an dem er die Zeit finden würde, die alten Werke zu entdecken. Er wusste, dass dieser Tag fern war. Vorerst galt es, noch viele weitere Bücher zu retten.
Seine Begleiter führten ihn in die Mitte des Raumes. Dort lag auf einem Pult das kostbarste Buch, das der Bund besaß. Nathan wusste, um welches Buch es sich handelte, bevor er einen Blick auf den kunstvoll geschmückten Einband geworfen hatte. Das war das Evangelium des Johannes. Das Buch der Bücher. Das Buch des Glaubens ihrer Ahnen.
Das Exemplar, das vor ihm lag, hatten seine Vorfahren vor über 700 Jahren aus Montségur gerettet und es mit ihrem Leben beschützt. Es war eine der letzten Schriften, die sie vor den Schergen des Papstes gerettet hatten.
Seine Vorfahren, die Katharer, waren hauptsächlich in Okzitanien beheimatet gewesen. Sie waren zwar Christen, und doch unterschied ihre Lehre sich in wesentlichen Dingen von der der katholischen Kirche.
Deshalb begann der Papst, sie zu verfolgen. Im Jahre 1244 belagerten mehr als 6000 Kreuzritter die Burg Montségur. Sie räumten den Verteidigern der Burg eine Frist von zwei Wochen ein. Freiwillig sollten sie ihren sicheren Ort aufgeben und ihrem Glauben abschwören. Andernfalls würde man sie öffentlich bei lebendigem Leibe verbrennen.
In der Nacht vom 15. März, nur wenige Stunden vor Ablauf der Frist, gelang es vier Katharern, sich von den Zinnen der Burg abzuseilen. Unbemerkt von ihren Feinden, konnten sie durch den Ring der Belagerungstruppen schleichen. Sie retteten das Buch und zwei Kinder. Den legendären Schatz der Katharer.
Batiste schlug das Buch auf und Nathan erblickte zum ersten Mal die Worte, die den Kindern des Bundes ihren Auftrag verkündeten. Sein Großvater hatte ihn in der Sprache seiner Vorväter unterrichtet und so fiel es Nathan nicht schwer, die okzitanischen Worte zu lesen:
»Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne
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