Bordeuax
auch deine Mutter nicht
besucht.«
»Nein. Leider. Ich habe hier
gesessen und den Weinbestand durchgesehen und überlegt, welchen ich mit nach
London nehmen soll. Dabei habe ich die Zeit ganz vergessen.«
Catherine erwiderte nichts.
»Das hat Francis früher auch immer
gesagt. Weißt du noch?«, fragte ich sie. »>Dieser Ort stiehlt dir deine
Zeit<, hat er immer gesagt.«
Ich lachte, doch Catherine lachte
nicht mit, sie lächelte nicht einmal. Sie stützte sich mit dem Ellbogen auf
dem Schreibtisch ab, ihr Kinn ruhte auf einem Handballen. Sie sah mich an.
»Dann stimmt es also, was Eck über
dich sagt, oder?«
Mir gefiel ihr Ton nicht. »Was hat
er denn über mich gesagt?«
Catherine überhörte meine Frage.
»Rate mal, wer eine Viertelstunde nach meiner Ankunft auf Coalheugh bei meinen
Eltern plötzlich zum Aperitif auftauchte?«
»Wer? Eck?« Ich war ganz
durcheinander.
»Nein. Ed. Er schneite rein und
sagte: >Ach, du? Ich habe mir gedacht, ich schaue mal eben vorbei. Mal
sehen, ob ich deinen Eltern einen Gin Tonic entlocken kann. Ich hatte ja keine
Ahnung, dass du hier bist.< Ed lebt seit dem Tod seines Vaters als
Steuerflüchtling in Frankreich, wie jeder weiß. Er schaut nicht >mal
eben< so in England vorbei. Wahrscheinlich ist er extra aus Frankreich
eingeflogen, damit er heute bei meinen Eltern vorbeischauen kann. Wenn es
einen Oscar für mieses Schauspiel gäbe, Ed hätte einen verdient.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte ich.
»Warum war Ed bei deinen Eltern?«
»Sei still, dann verrate ich es dir.
Das Ganze war eine abgekartete Geschichte. Natürlich blieb Ed nicht lange. Er
war sehr nett, sehr lieb, fragte, wie es mir ginge, fragte nach der Wohnung. Er
hat sogar daran gedacht, sich nach dir zu erkundigen. Über sich selbst hat er
gar nicht gesprochen. Er wollte wohl nur deutlich machen, wie sehr er sich nach
seiner alten Liebe verzehrt. Danach ist er gleich wieder gegangen.«
Catherine hörte für einen Moment auf
zu sprechen, offenbar dachte sie an Ed. Ich spürte meinen Puls an der
Halsschlagader rasen. Ich sagte nichts.
»Als Ed gegangen war, verschwand
natürlich mein Vater umgehend aus dem Zimmer, und ich war mit Mummy allein.
Ich habe sie gefragt, was hier eigentlich gespielt würde.«
Mit einem Mal wollte ich das Ende
der Geschichte nicht mehr hören. Ich sah auf die Uhr und sagte: »Sollte ich
nicht mal langsam los, einkaufen für heute Abend?«
»Es kommt niemand zum Abendessen.
Ich habe Eck und Annabel angerufen und abgesagt. Lass mich zu Ende erzählen.
Das musst du dir anhören. Mummy sagte: >Wir wissen natürlich längst alle von
Eck, dass dein Mann ein Alkoholproblem hat. Eck hat erzählt, einmal wäre er bei
euch zum Essen eingeladen und dein Mann wäre stockbesoffen gewesen. Er sagte,
du hättest ihm gebeichtet, dass dieser - wie heißt er doch gleich? -
Wilberforce - anscheinend hat er nicht mal einen Vornamen - ein schweres Alkoholproblem
hätte.<«
»Hast du Eck das wirklich gesagt?«
»Nicht an dem Abend, es war ein
anderes Mal. Er ruft manchmal an, nur so, um zu plaudern und zu fragen, wie es
mir geht. Ich hätte es Eck lieber nicht erzählen sollen. Da kann man auch
gleich mit dem Megaphon auf die Durham Cathedral steigen und seine Sorgen in
die Welt hinausposaunen.«
Der Pulsschlag am Hals hatte
angezogen. »Du hast dich mit Eck am Telefon über mich unterhalten?«
»Ich kann dir nur sagen,
Wilberforce, dass man sich manchmal ganz schön einsam fühlt, wenn man mit einem
Mann zusammenlebt, der sich nach dem Frühstück betrinkt und beim Abendessen
volltrunken ist. Egal, hör dir noch den Rest an. Es wird dir gefallen. Es ist
typisch Mummy.« Catherine machte eine Pause und lachte freudlos. »Mummy sagte:
>Wir haben uns schon immer gedacht, dass irgendwas mit dem Mann nicht
stimmt, den du geheiratet hast.< Wir machen alle mal Fehler. Ed ist immer
noch da für dich. Davon konntest du dich eben selbst überzeugen. Er würde dich
mit Kusshand nehmen, wenn er die Gelegenheit dazu hätte.«
Sie hörte auf zu reden, und lange
Zeit schwiegen wir uns an. Mir war die Lust vergangen, meinen Wein
auszutrinken.
Schließlich sagte ich: »Habe ich das
richtig verstanden? Du wolltest deine Eltern besuchen, da taucht Ed auf, und
als er wieder geht, gibt dir deine Mutter den Rat, mich abzustoßen, weil ich
ein Trinker sei - also dich scheiden zu lassen, nehme ich an, um dann doch
noch Ed zu heiraten. Stimmt das in etwa?«
»Gut zusammengefasst, Wilberforce«,
antwortete
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