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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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Rattern von
Rotorblättern und ein helles Licht. Ich erkannte den schwarzen Umriss eines
riesigen Hubschraubers, der auf einem Rasenstück aufsetzte, dann zwei
Sanitäter, die mit einer Bahre die Böschung hinaufkletterten, auf der Bahre
eine leblose, in Decken gehüllte Gestalt. Die Bahre wurde sofort in den Hubschrauber
gehievt, und bevor ich mir Klarheit darüber verschaffen konnte, was eigentlich
passiert war, hob die Maschine auch schon wieder ab. Dann hörte ich weiter
unten im Tal eine Sirene.
    »Das ist der Krankenwagen für Sie,
Sir«, sagte der Polizist.
    Ich wurde in ein anderes Krankenhaus
gebracht als Catherine. Mir war nicht viel zugestoßen, zwei Rippen gebrochen,
eine schlimme Prellung am Knie, einige Kratzer und Quetschungen. Catherine
wurde in ein Krankenhaus in der Stadt geflogen, das auf Kopfverletzungen
spezialisiert war.
    Ich wurde nach meiner Einlieferung
ins Krankenhaus zuerst geröntgt und dann von einem Arzt untersucht. Immer
wieder fragte ich: »Wo ist Catherine? Was ist mit Catherine? Wird sie wieder gesund?«
    Keiner wollte oder konnte mir
Auskunft geben. Ich bekam ein Einzelzimmer, und ich lag im Bett und erinnerte
mich, wie ich ins Steuerrad griff, wie der Wagen einen Schlenker machte, an das
grässliche Gefühl, durch die Luft zu fliegen und zu fallen, und an die Äste,
die im Fliegen am Wagen entlangschrammten. Was mit Catherine passiert war,
daran konnte ich mich nicht mehr erinnern. Wenn sie doch bloß nicht so stur
gewesen wäre. Wenn sie doch bloß umgekehrt wäre, dann wäre das alles nicht
passiert.
    »Mr Wilberforce?«
    Ich blickte auf. Der Polizist, den
ich schon gesehen hatte, als ich auf der Bahre am Straßenrand lag, war ins
Zimmer getreten, zusammen mit einer Schwester.
    »Darf ich Ihnen ein paar Fragen
stellen?«
    »Wo ist Catherine?«, fragte ich.
    »Ist Catherine Ihre Lebensgefährtin?«,
fragte der Polizist.
    »Sie ist meine Frau.«
    »Ach so«, sagte er und notierte sich
etwas. »Dann sind Sie also der nächste Verwandte?«
    »Natürlich.«
    Er klappte sein Notizbuch zu und
setzte eine ernste Miene auf. »Mr Wilberforce, ich muss Ihnen leider mitteilen:
Mrs Wilberforce war bei der Einlieferung ins Royal Victoria Infirmary vor einer
Stunde bereits tot. Es scheint so, als hätte Mrs Wilberforce leider keinen
Sicherheitsgurt angelegt. Sie ist bei dem Unfall durch die Windschutzscheibe
geflogen, dabei hat sie sich schwere Kopfverletzungen zugezogen. Man hat es mir
gerade eben mitgeteilt. Es war nicht so leicht, Sie ausfindig zu machen. Wir
sind mit den Unterlagen nicht so schnell hinterhergekommen.«
    Ich lehnte mich zurück, Tränen
stiegen mir in die Augen. »Oh, Catherine«, sagte ich laut. Wenn du mich doch
bloß hättest zurückfahren lassen, um den Wein zu holen, sagte ich zu mir
selbst. Wenn du doch bloß dein Versprechen nicht gebrochen hättest. Dann wäre
das alles nicht passiert. »Ich weiß, dass jetzt kein guter Moment ist, Sie
danach zu fragen«, sagte der Polizist, »aber ich brauche ein paar Angaben zu
dem genauen Hergang des Unfalls.«
    Ich wischte mir die Tränen ab und
richtete mich im Bett auf. »Bringen wir es hinter uns«, sagte ich, »und dann
lassen Sie mich bitte allein.«
    »Selbstverständlich«, sagte der
Polizist. »Schwester, könnten wir beide vielleicht einen schönen heißen Tee
bekommen? Wir füllen diese Formulare auch so rasch wie möglich aus. Also, Mr
Wilberforce. Jetzt erzählen Sie mal in Ihren eigenen Worten, was passiert
ist.«
    »Catherine«, sagte ich. »Catherine
ist gefahren.«
     
    3
     
    Am nächsten Morgen wurde ich aus dem
Krankenhaus entlassen und bekam zwei Krücken, die ich so lange benutzen
sollte, bis die Schwellung am Knie abgeklungen war. Während meines kurzen
Aufenthalts war die Polizei noch mehrmals da gewesen. Ein höherer Beamter kam
in Begleitung des ersten Polizisten und brachte Fotos von den Reifenspuren
mit, die zeigten, wo sich der Range Rover urplötzlich gedreht hatte, fast genau
im rechten Winkel zum Straßenverlauf, bevor er über die grasbewachsenen
Bankette geschlittert und die Böschung hinuntergestürzt war. Der Vorgesetzte
wollte verstehen, warum der Range Rover so abrupt abgedreht war, aber ich
konnte ihm nicht weiterhelfen.
    »Catherine war nach dem Besuch bei
ihren Eltern ziemlich aufgebracht«, sagte ich zu ihm. »Wahrscheinlich ist sie
ein bisschen schneller gefahren als sonst.«
    »Sie wollten noch am selben Tag, an
dem Sie hergekommen sind, den ganzen Weg nach London wieder zurückfahren.

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