Bordeuax
kannte ich den Unterschied.
Als könnte sie Gedanken lesen, sagte
sie: »Es geht um Francis.«
Ich wartete.
»Wusstest du, dass er schwer krank
ist? Wusstest du, dass er stirbt?«
»Ja. Er hat es mir vor einer Woche gesagt.«
»Und du hast es mir nicht erzählt? Oder Ed?« Catherine
blickte verletzt.
»Ich fand, dass es mir nicht
zustand, es weiterzuerzählen. Francis sollte selber entscheiden, wem er es
sagt und wann er es sagt.«
Catherine dachte kurz nach. »Stimmt,
du hast recht. Ich kann nicht erwarten, dass du mich deswegen anrufst.
Jedenfalls hat er es gestern Ed erzählt, und Ed hat mich heute Morgen angerufen
und es mir gesagt. Seitdem kann ich an nichts anderes mehr denken. Deswegen
musste ich dich unbedingt sprechen.« Ich wartete erneut ab.
»Wir müssen etwas tun, Wilberforce«,
sagte sie. Sie ging zum Fenster, ich folgte ihr, und beide sahen wir hinaus in
den Park. Große Wolkengebilde flogen am Himmel vorbei, und das Licht wurde
dunkler. Es sah nach Schnee aus.
»Ich glaube nicht, dass wir etwas
tun können. Francis ist bei einem der besten Onkologen Englands in Behandlung.
Man kümmert sich hervorragend um ihn, aber man hat ihm auch gesagt, dass es
keine Chance auf eine Besserung gibt. Er ist erst zum Arzt gegangen, als es
längst zu spät war.«
»Das ist typisch Francis. Aber das
meine ich gar nicht. Er hat Ed gesagt, dass er keine sechs Monate mehr zu leben
hat.«
»Das hat er mir auch gesagt.«
Catherine sah noch immer aus dem
Fenster. »Ich meinte eigentlich den Wein. Es würde Francis gleich umbringen,
noch bevor es der Krebs tut, wenn er wüsste, dass nach seinem Tod alles
verkauft würde. Deswegen müssen wir etwas tun.«
»Was denn?«, fragte ich. Mir gefiel
die Richtung nicht, die das Gespräch nahm.
»Ich habe noch mit keinem darüber
gesprochen, nicht mal mit Ed, obwohl er es war, der mich auf die Idee gebracht
hat. Er meinte, manches sei die letzte Plörre, aber bei den älteren Flaschen
würde es sich lohnen. Ob Plörre oder nicht, jedenfalls ist es viel Wein.«
»Ich glaube, Plörre würde ich keinen
einzigen seiner Weine nennen«, sagte ich. »Francis ist ein großer Sammler.
Aber dass es sehr viel Wein ist, in dem Punkt gebe ich Ed natürlich recht.«
»Deswegen habe ich mir gedacht: Wie
wäre es, wenn einige von Francis' Freunden ein Konsortium bilden, um den Wein
zu kaufen. Für eine Person allein wäre es sowieso zu viel. Du bist Geschäftsmann.
Du könntest das am besten organisieren und die Sache in die Wege leiten. Wenn
Ed es machen würde, wären wir in einem Jahr noch damit beschäftigt, wie wir
vorgehen sollten, und dann wäre es längst zu spät. Wenn du dich beteiligen
würdest, würde Ed bestimmt mitmachen, und Eck und Teddy auch, und noch einige
andere. Dann wäre es nicht zu viel für jeden einzelnen, und Francis wüsste,
dass sein Wein in gute Häuser käme. Wenn wir das schaffen würden - Francis
würde bestimmt friedlicher sterben.«
»Ganz bestimmt«, sagte ich. »Guck
mal. Es fängt an zu schneien.« Ein paar Flocken flogen schräg über den Park,
und noch während wir zusahen, setzte richtiges Schneetreiben ein.
»Ja. Hoffentlich kommst du wieder
heil zurück. Was hältst du denn nun von meiner Idee?«
»Es ist eine großartige Idee«, sagte
ich. Ich wandte mich ihr unmittelbar zu. »Nur ist es leider zu spät,
Catherine.«
Sie sah mich völlig überrascht an.
»Was meinst du damit?«
»Ich werde den ganzen Wein kaufen.«
Jetzt blickte Catherine völlig
perplex. Mit knappen Worten erzählte ich ihr von der Vereinbarung, die ich mit
Francis getroffen hatte. Es dauerte trotzdem eine ganze Weile, bis sie verstand.
»Das ist nicht dein Ernst«, sagte
sie schließlich. »Willst du wirklich deine Firma verkaufen und deinen Beruf
aufgeben, nur damit Francis nicht als gebrochener Mann stirbt?«
»Das habe ich ihm versprochen. Du
hältst mich für verrückt, oder?«
»Ich glaube, das ist das Schönste,
was ich je gehört habe. Willst du das wirklich durchziehen?«
»Francis will ein neues Testament
aufsetzen, in dem er mir alles vermachen will, unter diversen Bedingungen,
denen ich zugestimmt habe. Eine betrifft zum Beispiel die Rückzahlung der
Hypothek. Wahrscheinlich hat er es in der Zwischenzeit schon geändert. Ich muss
jetzt so schnell wie möglich meine Firma verkaufen, andernfalls hätte ich gar
nicht das nötige Geld für alles.«
»Und wovon willst du leben?«
»Wahrscheinlich werde ich erst mal
für den neuen Besitzer meiner Firma
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