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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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der Stadt ankam, hatte sich der wenige
Schnee, der vormittags gefallen war, bereits in Matsch aufgelöst. Zu Hause
angekommen machte ich mir eine Tasse Tee, setzte mich auf das Sofa im
Wohnzimmer und ging die Szene, die sich zwischen Catherine und mir abgespielt
hatte, x-mal durch. Ich hatte immer noch nicht richtig begriffen, was
eigentlich geschehen war. Catherine war Eds Freundin, sie war schon immer Eds Freundin,
und bald würden die beiden heiraten. Es hatte sich etwas ereignet, was man als
komischen, peinlichen Unfall bezeichnen könnte: Man will eine Frau auf die
Wange küssen, die Frau bewegt den Kopf, und durch Zufall berührt man ihre
Lippen.
    Dann stellte ich mir vor, wie ich
mich fühlen würde, wenn die beiden nun tatsächlich heirateten. Es war kein
gutes Gefühl.
    Nach einer Stunde solcher
Gedankenspiele dachte ich, ich würde noch verrückt, wenn ich nicht
augenblicklich etwas unternahm. Ich hatte einen Computer zu Hause, von dem aus
ich Zugriff auf den Server in unserem Büro hatte. Ich konnte mich einloggen,
meine E-Mails lesen und etwas arbeiten. Bevor ich mich an den Computer hockte,
zog ich meine Schreibtischschublade auf und kramte den Brief von der Investmentbank
in London hervor, eine Anfrage, ob ich zu einem Gespräch über den Verkauf
meiner Firma bereit sei. Solche Briefe hatte ich schon oft erhalten, aber bei
diesem hatte ich den Eindruck, als steckten ernste Absichten dahinter, keine
Raubrittermentalität. Ich las ihn mir nochmals durch, Absender war ein
gewisser Bob Fulford. Dann setzte ich mich an den Schreibtisch, nahm den
Telefonhörer und wählte die angegebene Nummer.
    »Andromeda Investments«, sagte die Stimme einer Frau.
»Ich möchte bitte Bob Fulford sprechen.«
    »Wer ist da bitte?«
    »Meine Name ist Wilberforce, von der
Firma Wilberforce Software.«
    Nach einer kurzen Pause wurde ich durchgestellt.
    »Mr Wilberforce?«, sagte eine freundliche Stimme.
    »Sie haben mir geschrieben, dass Sie
einen Käufer kennen, der möglicherweise Interesse an meinem Unternehmen hätte«,
sagte ich.
    »Ja, richtig. Ich wollte Sie schon
anrufen, um noch mal nachzuhaken, wenn Sie sich nicht gemeldet hätten. Ich
habe einen Kunden, der ein großer Bewunderer von Ihnen ist und von dem, was
Sie mit Ihrer Firma erreicht haben.«
    »Ich wäre bereit, mich mit ihm zu treffen, aber nicht
hier.«
    »Das freut mich sehr. Ein
unverbindliches Gespräch kann nicht schaden. Sagen Sie uns, wie es Ihnen am
besten passt, und wir stellen den Kontakt her.«
    Als ich ein paar Minuten später den
Telefonhörer auflegte, hatte ich zugesagt, nach London zu fahren und mich dort
mit einigen Vertretern der Bayleaf Corp. zu treffen, einem riesigen Unternehmen
mit Sitz in Houston. Als Bob Fulford mir den Namen sagte, wusste ich gleich
Bescheid, und ich konnte mir denken, warum Bayleaf scharf auf unsere Firma war.
Wir wären zwar nur ein kleiner Fisch, kein Hauptgericht, aber trotzdem, ich
konnte verstehen, warum sie Appetit bekommen hatten.
     
    Als ich am nächsten Tag ins Büro
kam, war Andy schon da. Er wirkte angespannt. Er gab mir eine Tasse Kaffee und
setzte sich wieder auf die Kante meines Schreibtisches, dann machte er eine
Geste, als wollte er mir den Kopf tätscheln. »Braver Junge«, sagte er, »husch,
husch ins Körbchen.«
    »Was gibt es, Andy?«
    »Während du gestern weg warst - ach,
übrigens, ich habe unsere Software an die Leute von Miller verkauft -, habe ich
beschlossen, mal tätig zu werden.«
    »Gut gemacht, Andy. Und inwiefern
bist du tätig geworden?«
    Zum ersten Mal sah er mir nicht ins
Gesicht. Er blickte auf zu Bill Gates, dessen Bild an der Wand hing. »Ich habe
gestern Abend Christopher Templeton angerufen. Ich habe mich für morgen in
London mit ihm verabredet, um mit ihm zu besprechen, wie wir unsere Firma an die
Börse bringen. Kommst du mit?«
    »Nein, ich komme nicht mit«, sagte
ich. »Das ist dein Projekt. Zieh es durch.«
    »Und du hast nichts dagegen, dass
ich hinfahre und einige Tausend Pfund an Spesen ausgebe, wenn nötig, nur um
einen Plan auszuarbeiten?«
    »Überhaupt nichts. Erwarte nur
nicht, dass ich mich vor Begeisterung überschlage. Fahr zu Christopher,
besprich alles mit ihm. Sag mir, was das alles kosten soll und was wir für
unser Geld kriegen. Dann verspreche ich dir, dass ich es mir überlege.«
    »Wilberforce«, sagte Andy und stand
auf, »du bist nicht mehr mit Leib und Seele bei der Sache - so wie früher. Das
macht mir Sorgen. Ich habe hier ein gutes Gehalt, aber

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