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Bordeuax

Bordeuax

Titel: Bordeuax Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Torday
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bestimmt nicht mal auf
die Warteliste. Es ist ein bisschen spät, um die Dinge wieder gutzumachen.« Er
rieb sich mit der Hand die Stirn. Seine Stimme klang ausdruckslos.
    »Seit 1540 wird dieses Haus oder die
Häuser, die vorher hier gestanden haben, von den Blacks bewohnt. In wenigen
Monaten hat das alles ein Ende.«
    Er blickte wieder zu mir auf, und
jetzt sah ich die unendliche Traurigkeit, die schon immer hinter seinen Augen
gesteckt hatte, die ich vorher aber nie wahrgenommen hatte. Ich hatte Francis
nach seinem Äußeren beurteilt: Immer hatte ich nur den weltmännischen,
reservierten, ironischen Ausdruck gesehen und nie dahinter geschaut. Jetzt,
mit diesem Gesicht, eingefallen und mit dunklen Ringen unter den Augen, konnte
es keinen Irrtum mehr geben, wie es ihm in Wirklichkeit ging.
    »Ich glaube, es würde mir leichter
fallen zu sterben, wenn ich etwas für den Erhalt des Besitzes getan habe, den
man mir hinterlassen hat. Darüber wollte ich mit dir reden.«
    Mir fehlten die Worte. Es war
fremdes Terrain, auf das er mich führte.
    »Wilberforce«, fuhr er fort, »ich
verkaufe dir meinen Wein für ein Pfund.«
    »Ein Pfund! Du meinst wohl eine
Million Pfund.« Erst dachte ich, Francis' hätte durch die Krankheit vielleicht
schon seinen Verstand verloren. Vielleicht nahm er auch nur sehr starke Medikamente
- daran konnte es liegen.
    »Es gibt einen Haken. Eigentlich
sogar zwei«, sagte Francis. »Es hängt davon ab, ob du wirklich so wohlhabend
bist, wie ich vermute. Um den Wein zu bekommen, musst du auch Caerlyon Hall
kaufen. Und das ist der erste Haken. Das bedeutet, eine Hypothek von fast
einer Million Pfund abzustottern. Die Miete, die das Gemeindezentrum zahlt,
deckt im Moment nicht einmal die Zinsen. Und der zweite Haken: Ich möchte, dass
du nach meinem Tod mit den Vertretern des Gemeindezentrums verhandelst und sie
aus dem Vertrag entlässt. Ich weiß, dass sie darauf eingehen, wenn du ihnen ein
gutes Angebot machst. Das Haus ist für sie ein Klotz am Bein. Vor einigen
Jahren galt es bei örtlichen Behörden mal als schick, solche Häuser zu
übernehmen, doch jetzt wollen sie sie wieder loswerden, wenn es eben geht. Die
Gemeinde nutzt es heute kaum noch. Wie dem auch sei, lass dir irgendetwas
einfallen, damit sie ausziehen, und wenn ich nicht mehr bin, sollst du hier
wohnen.«
    Francis stand doch nicht unter
Einfluss von Medikamenten, seine Stimme war klar und deutlich wie sonst auch.
Nur ergab all das, was er von sich gab, keinen Sinn. »Ich? Hier wohnen?«
    »Du bist adoptiert worden, stimmt
das?«
    »Meine Pflegeeltern haben mich
aufgezogen. Meinen leiblichen Vater und meine leibliche Mutter habe ich nie
gekannt.«
    »Du wirst also nicht eines Tages ein
Elternhaus erben.« Ich schüttelte den Kopf.
    »Dann mach das hier zu deinem
Zuhause. Zieh hier ein, als wärst du mein Erbe. Allerdings würdest du nur einen
Schuldenberg erben. Aber wenn du die Schulden abbezahlen und verhindern kannst,
dass Caerlyon samt Inventar verkauft wird, dann kann das hier ein Zuhause für
dich werden. Jeder braucht einen festen Platz, Wilberforce.«
    Was sollte ich zu so einem Vorschlag
sagen?
    »Auch wenn dann keine Blacks mehr
hier leben werden, kann ich doch mit der beruhigenden Gewissheit sterben, dass
jemand mit Familie hier wohnen wird. Zukünftige Generationen der Wilberforce«,
sagte Francis mit einem trockenen Lachen, »können hier wachsen und gedeihen.
Lieber du als sonst wer.«
    Ich schüttelte den Kopf. Es war zu
viel auf einmal. Wie sollte ich Francis begreiflich machen, dass das alles
unmöglich war. Ich stand nicht schlecht da, hatte ein relativ hohes Einkommen,
das schon, aber nie und nimmer hätte ich in den kommenden sechs Monaten über
eine Million Pfund auftreiben können. Und selbst wenn, was sollte ich mit so
einem riesigen Haus wie Caerlyon anfangen? Darin herumgeistern? Schon meine
Zweizimmerwohnung in Newcastle war zu groß für mich. Den vom Gemeindezentrum
gemieteten Flügel hatte ich nie betreten, aber Francis hatte mir gesagt, dass
er zwanzig Räume beherbergte, dazu einen Salon, zwei Esszimmer, ein
Herrenzimmer sowie einige Dienstbotenzimmer, Büros und Ateliers. Die
Vorstellung, dort zu wohnen, war einfach absurd. Ich würde verrückt werden.
    Was sollte ich ihm sagen? Wie konnte
ich Francis' Bitte abschlagen, ohne seinen Tod zu beschleunigen? Denn daran
zweifelte ich nicht, meine Ablehnung hätte ein schnelleres Ende herbeigeführt.
Für ihn, einen Mann, der seinen frühzeitigen Tod vor

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