Bordeuax
natürlich. Wann?«
»Hast du jetzt Zeit?«
Ich lächelte innerlich. Catherine,
wie auch ihre anderen Freunde, gingen offenbar davon aus, dass man nie
Wichtigeres zu tun hatte, als sich mit ihnen zu treffen. Dann dachte ich, dass
es eigentlich doch ganz schön wäre, mal für ein paar Stunden aus dem Büro zu
kommen und die Zeit mit Catherine zu verbringen, wenn sie das so dringend
wünschte. Ich klickte den Terminkalender in meinem Computer an und sah nach,
was für den Nachmittag geplant war.
»Bleib bitte dran«, sagte ich zu
Catherine. »Ich will mal schauen, was sich machen lässt.« Dann rief ich Andy
über die Hausleitung an.
»Was gibt es, Doc?«, fragte er, als
er abhob.
»Ich muss mich heute Nachmittag mal
loseisen. Mir ist etwas dazwischengekommen. Eigentlich wollte ich um drei Uhr
den Leuten von der Miller Ltd das neue Softwarepaket für Projektmanagement
vorführen. Könntest du das für mich übernehmen?«
»Natürlich. Bist du später wieder
da? Ich muss noch etwas mit dir besprechen.«
Mir war klar, worum es dabei gehen
würde. »Danke. Ich sage Bescheid, wenn ich es nicht schaffe.«
Ich nahm das unterbrochene Gespräch
mit Catherine wieder auf und sagte: »Alles in Ordnung. Wo sollen wir uns
treffen?«
»Du kannst herkommen, wenn du
willst.«
Herkommen, das bedeutete Coalheugh,
Catherines Familienstammsitz, knapp 25 Kilometer südwestlich von Caerlyon,
tief in den Bergen der Pennines. Zu dieser Jahreszeit waren ihre Eltern
häufiger nicht da, weil sie den Winter über auf den Bermudas und das Frühjahr
in ihrem Haus in Antibes verbrachten.
»Ich bin in einer halben Stunde bei
dir.«
Ich fuhr Richtung Süden, durch eine
bleiche Winterlandschaft. Eine tief stehende Sonne schien auf friedliche
Felder, auf denen kaum noch Vieh weidete, da die Kühe im Winterquartier waren,
die Schafe für die Ablammsaison eingepfercht. Alle Farben waren blass, die
Felder fast gelb, der Wald an den Berghängen braun, von den vereinzelten grünen
Fichten abgesehen. Weiter oben konnte man ein paar Schneefelder erkennen.
Während der Fahrt fragte ich mich, worüber Catherine bloß mit mir sprechen
wollte. Ob Ed wohl auch da war? Ich bog von der Straße ab, glitt durch die
Toreinfahrt und weiter einen Zufahrtsweg entlang, der sich durch eine mit großen
Eichen und Eschen bewachsene Parklandschaft schlängelte, hier und da einige
Schneeglöckchen, die im Wind mit den Köpfchen nickten. Nach einiger Zeit kam
Catherines Haus in Sicht, nicht so stattlich wie Caerlyon, aber auch recht
groß; ein viktorianisches Haus aus dunkelgrauem Stein, nicht besonders schön,
einziger Schmuck war eine zinnenartige Verzierung, die entlang der Fassade
verlief.
Catherine musste meine Ankunft
bemerkt haben, denn als ich meinen Wagen vor dem Haus abstellte, kam sie die
Treppe herunter, um mich zu begrüßen.
»Danke, dass du gekommen bist,
Wilberforce«, sagte sie und küsste mich auf die Wange. »Es ist keiner zu Hause,
deswegen dachte ich, komme ich lieber selber und mache dir auf. Die Haushälterin
hat heute ihren freien Tag.«
Ed Simmonds war offensichtlich nicht
da, andernfalls wäre er auch zur Begrüßung gekommen.
»Tut mir leid, dass du dich selbst
an deine Haustür bemühen musstest.«
Wir gingen ins Haus, betraten eine
riesige Diele, dann einen Salon. Im Kamin brannte Feuer, trotzdem war der Raum
kalt.
»Komm ans Feuer«, sagte Catherine.
»Die meisten Leute halten die Temperatur in diesem Haus nur schwer aus. Mein
Vater lässt sich alle Rechnungen schicken, und die Heizungsrechnung prüft er
bis auf den letzten Penny. Wenn er glaubt, ich hätte tagsüber die Heizung
angestellt, kriege ich einen aufs Dach. Aber wenn er und meine Mutter zu dieser
Jahreszeit mal hier wären, würde die Heizung natürlich den ganzen Tag laufen.«
Sie ging zu einem Tisch, auf dem ein
Tablett stand, darauf eine Flasche Wein und zwei Gläser. »Für Kaffee ist es zu
spät, und für Tee noch zu früh. Willst du ein Glas Wein?«
»Wenn du auch eins trinkst.«
»Ich glaube ja. Aber vielleicht
willst du ja auch noch etwas essen. Hast du schon was zu Mittag gehabt?«
»Danke, ich möchte nichts.«
Catherine goss Weißwein in die
beiden Gläser und brachte mir eins. »Nicht ganz das Niveau, das du aus Caerlyon
gewohnt bist«, sagte sie.
»Köstlich«, sagte ich höflich. Der
Wein war nicht köstlich, er war eiskalt, die gleiche Temperatur wie das Zimmer,
aber trinkbar. Vor einem Jahr hätte es mir noch nichts ausgemacht. Jetzt, dank
Francis,
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