Bote ins Jenseits
ehrfürchtig.
»Du wirst erst lernen müssen, mit deinen Fähigkeiten zielgerichtet umzugehen. Die Zeit dazu wird kommen, das kann ich sehen.«
»Äh… gut!«
Wieder dieses Lächeln. Kamp wünschte sich, dieses wunderbare Gefühl über die Ewigkeit retten zu können. Es überdeckte sogar die Scham angesichts seiner eigenen Einsilbigkeit.
»Möchtest du vielleicht noch eine Frage an mich richten? Diese Gelegenheit bekommst du so schnell nicht wieder, also denke gut nach!«
Es gab nur eine einzige, alles beherrschende Frage, die Kamp seit seinem Eintreffen im Jenseits umtrieb, und sie kam wie aus der Pistole geschossen.
»Wer hat mich umgebracht? Sind wir auf der richtigen Spur? War es wirklich mein bester Freund?«
Gott lächelte und machte eine beschwichtigende Geste.
»Nun, junge Seele, ich habe drei Fragen gezählt. Du bist sehr ungestüm. Lerne, deine Energien besser zu verwalten!«
Er bemerkte den unbefriedigten Blick von Kamp und grinste verschmitzt.
»Die Zeit deiner Ungewissheit ist schon sehr bald vorbei. Und nun gehe zurück zu jenen, denen du am Herzen liegst. Wir werden uns schon sehr bald Wiedersehen.«
Showdown
Ohne dass Kamp etwas erwidern konnte, ohne dass er überhaupt richtig überlegen konnte, was für Worte er zum Abschied von ihm wählen sollte, veränderte sich die Umgebung wieder auf jene fast übergangslose Weise, wie schon bei der Ankunft in seinem Domizil.
Kamp spürte, dass er auf der Seite lag, und hob den Kopf. Der besorgte Blick seiner Schwester, der neutrale, wenn nicht gar gelangweilte Blick Gregors sowie Tibbes entsetztes Starren ruhten auf ihm.
Gregor schien offenbar genau zu wissen, was passiert war. Zumindest konnte er es sich wohl denken.
»Alles klar mit dir?«, fragte er Kamp.
»Alles bestens!«, erwiderte der und rappelte sich auf. »Wie lange war ich weg?«
Der Bote zuckte mit den Schultern. »Schwer zu sagen. Hab nicht auf die Uhr geschaut. Zehn, höchstens fünfzehn.«
»Fünfzehn Minuten? Donnerwetter! Kam mir mindestens wie eine halbe Stunde vor.«
Gregor grinste breit. »Sekunden, mein Freund! Sekunden.«
»Ist alles in Ordnung mit ihm?«, hörte Kamp die besorgte Stimme seiner Schwester zum Boten sagen.
Der Bote nickte ihr beruhigend zu. »Deinem Bruder geht es hervorragend, kein Grund zur Sorge. Er… musste nur mal kurz weg.«
»SCHLUSS JETZT!«, brüllte Tibbe und brachte es damit fertig, die anderen drei ernsthaft zu erschrecken. Aufrichtig überrascht starrten sie ihn an, und jeder von ihnen bemerkte sofort, dass es inzwischen nicht mehr allzu gut um die geistige Verfassung dieses Mannes bestellt war.
Blutunterlaufene Augen und ein irrer Blick entstellten Tibbes Gesicht zu einer entsetzten Fratze. Tränen liefen ihm aus den Augenwinkeln, und er atmete schwer durch einen ununterbrochen offen stehenden Mund. Verzweifelt versuchte er sein Zittern zu kontrollieren. Die Tatsache, dass es ihm nicht gelang, ließ ihn nur noch verzweifelter werden.
»Wer sind Sie?«, fragte er den Mann, jedes Wort betonend. Erneut richtete er seine stark zitternde Hand in Richtung Kamp. »Und was hat es mit diesem Hund auf sich? Nicht nur, dass er gerade gesprochen hat, jetzt tun Sie auch noch so, als wäre er…«
Sein Blick traf den des vermeintlichen Hundes, und es verschlug ihm die Sprache. Bisher hatte er Tieren nie viel Beachtung geschenkt. Sie waren ihm egal, interessierten ihn nicht. Die Vorstellung, ein eigenes Haustier zu haben, erschien ihm absurd. Warum sollte man sich einen solchen Klotz ans Bein binden? Außerdem waren ihm Tiere zutiefst suspekt. Was bewog zum Beispiel Katzen dazu, ausgerechnet denjenigen um die Beine zu schnurren, die sich selbst als überzeugte Katzenhasser bezeichneten? Das war doch nicht normal!
Trotz seines Desinteresses in Bezug auf Tiere war er jedoch hundertprozentig sicher, dass es den meisten Spezies nicht möglich war, zu lächeln oder sonstige mimische Kunststücke zu vollführen. Sie wedelten mit dem Schwanz oder schnurrten, aber die Fähigkeit, Emotionen nur mit mimischen Mitteln darzustellen, war allein den Menschen vorbehalten, vielleicht auch noch den Affen.
Aber ein bösartig lächelnder Hund?
Das durfte es eigentlich nicht geben! Irgendjemand sollte das dringend dieser kleinen braunen Töle erzählen, die es vor ein paar Sekunden bereits gewagt hatte, ebenfalls wider ihre Natur, zwei ganze Sätze zu sprechen.
Fast wünschte Tibbe sich, dass er einfach nur den Verstand verlor oder zumindest Opfer
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