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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Lindemann
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Domestiken zuckten mit den Schultern und verließen den Raum. Kamp sah ihnen nach, und als sich die Tür hinter ihnen schloss und verschwand, hatte er das Gefühl, in einer Falle zu sitzen.
    Langsam drehte sich der Drehstuhl ihm zu und gab den Blick frei auf… einen jungen, großen und kräftigen Mann, mit Augen, die Weisheit und Erfahrung von in etwa mehreren tausend Jahren enthielten. Hätten Blicke ein Gewicht, die Last seines Blickes hätte Kamp wie einen Käfer unter dem Plattfuß eines Sumo-Ringers zerquetscht.
    Er kam sich jetzt albern vor, weil er noch vor wenigen Tagen gedacht hatte, dass Gregors Blicke manchmal unheimlich waren. Gegen das hier waren sie nur ein Silberblick in absoluter Finsternis.
    »Wer bist du?«
    »Trre…« Kamp räusperte sich ausgiebig, um die Froschherde von seinen Stimmbändern zu verscheuchen. »Thore Kamp.«
    »Was bist du?«
    Kamp fragte sich, ob das sein Ernst war, oder ob hier gerade eine Art Test stattfand.
    »Öh… eine Seele, denke ich… Ja, eine Seele.«
    Das Gesicht seines Gegenübers machte keinen sonderlich überzeugten Eindruck. Dennoch sagte er: »Die Antwort war richtig! Gutgemacht.«
    Langsam erhob er sich aus seinem Drehstuhl und ging auf Thore zu. Er umrundete und musterte ihn aufmerksam von oben bist unten.
    »Mir ist nicht verborgen geblieben, was du gerade getan hast. Ich beobachte dich seit deinem Eintreffen hier bei uns im Jenseits. Sag mir, junge Seele, woher hattest du die Macht dazu?«
    Kamp stemmte eine Hand in die Hüfte und kratzte sich mit der anderen am Kopf.
    »Ehrlich gesagt, bin ich mir nicht ganz sicher, was Sie meinen. Geht es eventuell um…«
    »Der Vergeltungsbote namens Gregor hat dich in Gestalt eines Hundes mit auf die Erde genommen. Vor wenigen Augenblicken hast du aber wie ein Mensch gesprochen. Als Hund sollte es dir unmöglich sein, dies zu tun! Die Ausbildung und Erfahrung eines Boten ist dazu nötig. Meine Macht ist dazu nötig! Jemand muss sie dir verliehen haben. Jemand muss es dich gelehrt haben.«
    Kamp blinzelte. »Hab’s mir fast gedacht«, sagte er langsam und schüttelte den Kopf. »Das war keine Absicht. Keine Ahnung, wie es passieren konnte. Ich war einfach nur wütend. Sehr wütend!«
    Gott drehte eine weitere Runde um Kamp und sagte, mit dem Äquivalent seiner Stimme zu einem normalen Plauderton: »Du würdest mich doch nicht anlügen? Auch nicht, um jemanden zu schützen, dem deine Sympathien gehören?«
    Kamp dachte ernsthaft über diese Frage nach. Er fragte sich, ob man ihn überhaupt anlügen konnte, ohne dass er es bemerken würde. Außerdem fragte er sich, wie dumm es auf einer Skala von eins bis zehn war, wenn man es auf einen Versuch ankommen ließ.
    Ungefähr sechzehn.
    »Gregor hatte nichts damit zu tun. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ich die Erde in Gestalt eines Diktiergerätes betreten. Er hat mir sehr ausführlich erklärt, wie wichtig es ist, eine einfache Seele nicht in das Leben der Menschen eingreifen zu lassen. So wie ich ihn kenne, würde er nie leichtfertig eine Regel verletzen!… Wir reden hier immerhin über den Schüler von Roberto.«
    Für den Bruchteil eines Augenblicks schlich der Schatten eines Schmunzelns über das Gesicht des höchsten und mächtigsten aller Wesen. Die uralten und unglaublich klugen Augen schienen Kamps Gedanken mühelos zu durchdringen.
    »Ich glaube dir. Du magst diesen Boten, das ist leicht zu sehen. Du wärst gerne wie er… und trägst das Potenzial zu etwas Großem in dir, aber das weißt du ja bereits.«
    Jetzt lächelte er Kamp ganz offen an. Es war ein Lächeln, mit dem man Polkappen zum Schmelzen bringen und die trübsten Gedanken in einen nicht enden wollenden Höhenflug verwandeln konnte. Kamp hätte gern etwas erwidert, aber er mochte sich nicht von dem inneren Frieden trennen, den dieses Lächeln in ihm erzeugte.
    »Dieser Bote mag dich ebenfalls. Er hat viele Unannehmlichkeiten für dich in Kauf genommen und Schuld auf sich geladen, nur zu deinem Wohle! Ich hoffe, du wirst zur gegebenen Zeit deine Dankbarkeit zu zeigen wissen?«
    »Äh, das hoffe ich ebenfalls!«
    Gott nickte, scheinbar zufrieden mit dieser Antwort, deren Mangel an Intelligenz Kamp im Moment des Aussprechens schmerzhaft bewusst wurde.
    »Ich muss dich auffordern, kein weiteres Wort in menschlicher Sprache zu sprechen, solange du in der von dir gewählten Gestalt unter den Menschen bist. Einen weiteren Regelverstoß würde ich nicht dulden! Hast du das verstanden?«
    Kamp nickte

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