Bote ins Jenseits
wies seit kurzer Zeit einen erheblichen Mangel an Normalität auf, sodass es inzwischen schwerer Geschütze bedurfte, ihn nervös zu machen. Er hatte lediglich das Gefühl, als wäre ihm irgendein wichtiges Detail durch die Lappen gegangen, aber er kam partout nicht darauf, was es war.
Er hörte, wie hinter ihm eine Tür geöffnet wurde – was eigentlich nicht sein konnte, da seine neugierigen Blicke keine Türen registriert hatten –, und drehte sich um. Durch eine weit geöffnete, sehr alt und schwer aussehende Holztür, betraten drei Boten den Raum. Sie hatten die üblichen Overalls an. Die als Rangabzeichen angebrachten Flügel auf den Oberarmen waren dunkelrot! Kamp erinnerte sich, dass Gregor ihm erzählt hatte, die Farbe der Domestiken sei Rot. Dies würde also sein erstes Zusammentreffen mit den ranghöchsten Boten des Jenseits werden. Welcher Anlass dem zugrunde lag, konnte er sich denken.
Die drei Domestiken musterten ihn mit einem unverbindlichen Blick. Zwei von ihnen gingen direkt zum gegenüberliegen Ende des Raumes, während der dritte bei Kamp stehen blieb und ihm sanft eine Hand auf die Schulter legte.
»Wenn du uns bitte begleiten würdest«, forderte der Domestik ihn auf.
Kamp gehorchte, ohne zu murren. Er hielt es für unangebracht, Fragen zu stellen, immerhin waren das Domestiken. Kamp hatte schon immer einen natürlichen Respekt vor wirklich hochrangigen Persönlichkeiten. Vor den Domestiken, die vorgegangen waren, öffnete sich eine weitere Tür, die vorher nicht da gewesen war. Sie schritten hindurch, und die Tür verschwand wieder, direkt vor den Nasen von Kamp und dem dritten Domestiken.
Kamp bedachte ihn mit einem fragenden Blick.
»Nur noch einen Moment Geduld. Er wird dich gleich empfangen.«
Was hatte der Kerl da gerade gesagt? War das ein normales ›er‹ oder meinte er ›er‹? Was sollte er von ihm wollen?
»Äh, Entschuldigung. Wer wird mich gleich empfangen?«
»Er«, sagte der Domestik kurz angebunden, aber auch in aller Deutlichkeit und richtete seinen Blick auf die Stelle, an der jeden Moment wieder die Tür erscheinen musste.
Ganz langsam drehte sich Kamps Kopf wie von selbst zu einem der großen Fenster, die einen herrlichen Blick auf einen wunderschönen Park offenbarten.
Er kannte diesen Park!
Das war das Detail, das ihm gerade durch die Lappen gegangen war. Der Park war der Innenhof der großen Anmeldung im Jenseits, und es sprach einiges dafür, dass er sich gerade in dem Pavillon befand, der das Zentrum dieses Innenhofes bildete.
Er war in seinem Domizil!
Okay, das war ein schweres Geschütz! Nicht einfach nur eine hochgestellte Persönlichkeit, sondern die Persönlichkeit schlechthin. Plötzlich war Kamp ganz eindeutig sehr aufgeregt und hätte einiges dafür gegeben, wieder als Hund verkleidet in dem von Grippeviren verseuchten Wohnzimmer seines neuerdings größten Feindes zu stehen. Auf diese Weise bestand wenigstens die Chance, ihm in seinen Verräterarsch beißen zu können, wenn die Zeit gekommen war.
Jetzt stand ihm eine Audienz bei dem wohl mächtigsten Wesen des Universums bevor. Wo waren die verdammten Löcher, wenn man sie brauchte?
Ohne das geringste Geräusch zu verursachen, erschien die Tür wieder und wurde von einem der Domestiken geöffnet.
»Tretet bitte ein«, sagte er, ohne Kamp und seine Ein-Mann-Eskorte anzusehen.
Der Domestik schob Kamp mit sanftem Druck vor sich her, und sie gelangten in einen fast identisch aussehenden Raum. Nur waren seine Ausmaße um einiges kleiner, womit er aber immer noch weit über die Dimensionen eines handelsüblichen Konzernchefbüros hinausreichte. Kamp bemerkte, dass in dem Raum keine Bänke an der Wand standen. Stattdessen befand sich ihm gegenüber ein relativ kleiner, viereckiger und sehr schlichter Holztisch. Dahinter sah er einen überdimensionierten, mit weißem Leder bezogenen Drehstuhl, dessen Rückseite ihm zugewandt war.
Er war enttäuscht. Sollte das mächtigste Geschöpf des Universums tatsächlich auf einen dermaßen billigen Effekt setzen, um ihn zu beeindrucken? Zu viele schlecht produzierte Filme auf Erden enthielten mindestens eine solche Szene.
»Lasst uns allein!«, sagte eine beeindruckende Stimme.
Sie klang nach einem jungen, großen und kräftigen Mann, in etwa mehrere tausend Jahre alt und daran gewöhnt, keine Widerworte zu hören.
Die Domestiken warfen sich gegenseitig überraschte Blicke zu und zögerten, dieser Anweisung zu folgen.
»Es ist in Ordnung. Geht!«
Die
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