Bote ins Jenseits
und war dazu geeignet, menschliches Hirn in eine instabile Grütze zu verwandeln.
»Habe ich deine Aufmerksamkeit?«
»Jaaahhrgg…«, brachte Tibbe hervor. Die Stimme berührte jede noch so kleine Nervenfaser in ihm und fühlte sich heiß an.
»Erinnerst du dich noch an deine Mutmaßung, ich könnte mich für einen Racheengel halten? Das war nicht halb so absurd, wie es von dir gemeint war!«
Tibbe kniff zitternd die Augen zusammen und presste ein paar Tränen heraus.
»Wie dem auch sei, du bist ein feiger kleiner Mörder, und du wirst für deine Tat büßen, ich lasse dir keine andere Wahl! Noch heute begibst du dich zur Polizei und gestehst alles!«
Das Wesen näherte sich Tibbe bis auf wenige Zentimeter. Er konnte den heißen Atem spüren.
»Wage es nicht, dich meiner Anweisung zu widersetzen! Ich werde dich immer und überall finden. Nichts könnte mich davon abhalten! Verweigere dich, und ich werde dich zu den Pforten der Hölle schleifen, um dich dort festzuketten! Dann gehörst du mir! Hast du mich verstanden?«
Tibbe versuchte zu nicken. Es erwies sich als schwierig, da sein ganzer Körper in einer Intensität schlotterte, die ihn, aus einem rein physikalischen Blickwinkel betrachtet, von den Beinen hätte holen müssen. Einzig die fremde Präsenz in ihm verhinderte dies.
Peter Tibbe verspürte die grauenhafteste Angst seines Lebens. Er schluchzte und war sich zu seiner Schande bewusst, dass er, ohne es bemerkt zu haben, vor wenigen Augenblicken seine Blase entleert haben musste. Er spürte, wie ihm warmer Urin an den Beinen hinunterlief.
Heike Kamp blieb nicht verborgen, dass mit Tibbe etwas nicht stimmte, und man musste kein Genie sein, um sich denken zu können, dass dieser Kerl aus dem Jenseits etwas damit zu tun hatte. Sie war natürlich ebenfalls der Meinung, dass Tibbe bestraft werden musste. Immerhin hatte er ihren Bruder auf dem Gewissen.
Aber im Moment schien er große Qualen zu erleiden, auch wenn sie nicht nachvollziehen konnte, woran das lag. Sie sah nur sein schmerzverzerrtes Gesicht, Tränen, die ihm über die Wangen rannen, und einen sich immer weiter ausbreitenden, dunklen Fleck in seinem Schritt.
Gregor stand, scheinbar regungslos, mit einer schwach sichtbaren Aura vor Tibbe und sah ihn ruhig an. Im Prinzip schien kein großes Unheil von ihm auszugehen. Aber irgendwie wusste sie, dass das nichts heißen musste.
Sie gab sich einen Ruck, stand auf und stellte sich neben den Boten. Nach einem letzten, mitleidigen Blick auf Tibbe, brachte sie ihren Mund direkt vor sein Ohr und sagte: »Was zum Teufel machst du nur mit ihm?! Er leidet!«
Tibbe sah aus den Augenwinkeln, wie die kleine Schlampe sich näherte. Sein komprimiertes, unterdrücktes Selbst fragte sich vorsichtig, ob er von ihr wohl so etwas wie Hilfe zu erwarten hatte, auch wenn er nicht genau wusste, wobei eigentlich, geschweige denn, womit er sich die verdient haben könnte.
Sie bezog neben seinem Peiniger Stellung und sah mit traurigen Augen kurz zu ihm, bevor sie in das Ohr des Wesens sprach.
Das war der Moment, auf den Tibbe kaum zu hoffen gewagt hatte. Die Aura des Wesens verblasste ein wenig, und er spürte, wie die fremde Präsenz in ihm ihren Klammergriff ein wenig lockerte. Er spürte, dass er die Kontrolle über seinen Körper wenigstens kurzzeitig zurückerobern konnte, und war in der Lage, einen eigenen, vollständigen Gedanken zu denken.
Das war alles, was er brauchte!
Auch wenn es unerwartet kam, er würde es zu seinem Vorteil nutzen. Der Weg zur Tür war versperrt. An dem unheimlichen Mann vorbeizukommen erschien völlig unmöglich. Es gab nur einen Weg, dieser Situation und seinem Peiniger zu entkommen.
In dem Bruchteil einer Sekunde traf er eine Entscheidung fürs Leben. Mit aller Gewalt riss er sich los und stürzte steifbeinig zur Balkontür. Hinter sich hörte er einen unnatürlichen Schrei und spürte, wie die Präsenz ihre psychokinetischen Fangleinen nach ihm auswarf, um ihn wieder an sich zu fesseln.
Das durfte auf keinen Fall geschehen!
Mit letzter Kraft gelang es ihm, hastig und zitternd, die Balkontür zu öffnen. Er stolperte hindurch, prallte im Fall gegen das Balkongeländer, zog sich daran hoch und schwang unbeholfen sein linkes Bein auf dessen Kante. Mit einem letzten Blick zurück, der ihm die Richtigkeit seiner Entscheidung bestätigte, brachte er seinen Schwerpunkt langsam auf den Rand des Geländers… und schließlich drüber hinweg.
Heike stand neben
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