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Boy 7

Boy 7

Titel: Boy 7 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirjam Mous
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wie ich mit Gedächtnisverlust auf der einsamen Grasebene gelandet war.
    Ich sah auf meine Uhr. Wie viel Zeit blieb mir noch, bevor das Gebäude in die Luft fliegen würde?

Teil 4
Wie Sam auf die einsame
Grasebene gelangt war
    Die Wahrheit über die Katze
hört man von den Mäusen.
(Henry Ford)
    1
    Mein Entschluss stand fest. Es war Zeit, das Notizbuch und den USB-Stick irgendwo außerhalb der Einrichtung zu verbergen. Danach würde ich entkommen, die Sachen abholen – oder abholen lassen, angesichts der Tatsache, dass ich selbst ein verfolgbares flackerndes Pünktchen war – und sie dann veröffentlichen. Na ja, das würde ich jedenfalls versuchen. Sollte es schiefgehen, würde hoffentlich jemand anderes das Beweismaterial finden und uns doch noch aus den Klauen der Cooperation retten können.
    Das Aufnahmegerät überließ ich weiterhin Louis. Stattdessen schob ich jeden Morgen das Notizbuch in den Hosenbund und drapierte mein Hemd darüber. Der zweite Stick – auf dem nichts gespeichert war und der nur dazu diente, die Weißkittel abzulenken – bekam einen Platz in meiner Hosentasche. Es war ziemlich nervenaufreibend, diese geheimen Dinge den ganzen Tag mit mir herumzuschleppen. Ich musste aufpassen, dass niemand sie sah und dass ich nichts verlor. Aber ich wagte es auch nicht, sie in meinen Rucksack zu stecken, sonst hing der nachher wieder irgendwo weit weg an einer Garderobe, wenn mich die Weißkittel für einen Auftrag abholten.
    Dass alle Boys mittlerweile einen Chip trugen, hatte auch Vorteile, denn die Weißkittel waren viel weniger wachsam als früher. Die Zimmerkontrollen blieben aus und Leibesvisitationen gab es fast keine mehr. Sie dachten, wir seien gezähmt und sie hätten uns vollkommen unter Kontrolle.
    Falsch gedacht!
    Während der Mathematikstunde holten sie mich aus dem Unterricht. Flankiert von zwei Weißkitteln ging ich zum gläsernen Ausgang. Bei jedem Schritt scheuerte das Notizbuch über meine Haut.
    Normal benehmen. Nichts anmerken lassen
    Aber als wir auf den Parkplatz kamen, bog ein Wächter mit Hund um die Ecke des Gebäudes. Seine Nase war spitz, der Blick durchdringend. Mir war, als würde er mich damit durchleuchten. Der Stick brannte mir fast ein Loch in die Hosentasche. Ich schluckte. Wenn er mich bloß nicht fragte, ob ich etwas zu verbergen hätte. Es war gar nicht notwendig, mich an den Lügendetektor zu legen: Der Schweiß auf meiner Stirn sprach Bände.
    »Tag«, sagte der Wächter. Danach salutierte er und setzte seine Runde fort.
    Ich schnappte nach Luft, als hätte ich gerade dreißig Meter unter Wasser zurückgelegt.
    Der Transporter bog in eine stille Straße in einem Vorort ein. Es war wieder der Spionagebus mit dem eingebauten Computerlabor. Dort bekam ich meinen neuen Auftrag: Einbruch in den Privatcomputer des Präsidenten. Sie wollten seine eingegangenen E-Mails überprüfen.
    »Das kann man doch nicht machen«, sagte ich. »Der Präsident ist doch nicht einfach irgendwer.«
    »So ist es.« Der weibliche Weißkittel warf dem männlichen Kollegen einen Blick zu. »Wir müssen sichergehen, dass unser großer Staatslenker nicht erpressbar ist.«
    »Oder wird.« Der männliche Weißkittel kicherte.
    Ich vermutete, dass sie vorhatten, selbst etwas an seinen E-Mails zu ändern. Etwas, womit CooperationX den Präsidenten würde erpressen können.
    »Nur lesen?«, fragte ich. »Oder sollen die Nachrichten auch bearbeitet werden können?«
    »Du lernst schnell.« Die Frau hielt die Alarmschnur bereit. »Letzteres, bitte.«
    Ich dachte an die Namensliste, die Louis und ich auf den Stick kopiert hatten. Der Vizepräsident war auch darunter gewesen. Wollten die Weißkittel den Präsidenten vielleicht zum Abtreten zwingen, damit der Vizepräsident seine Funktion übernehmen konnte? Ich spürte, wie mir das Blut aus dem Gehirn wich. Dann bekam die Cooperation noch mehr Macht! Bald würde sie über ganz Amerika regieren. Die ganze Welt.
    So weit kam es an diesem Abend zum Glück noch lange nicht – Cracken ist um einiges mühsamer, als es in Filmen aussieht, vor allem bei massiv gesicherten Programmen wie dem des Präsidenten. Nach den ersten Vorbereitungsarbeiten wurde mein Gedächtnis gelöscht und wir aßen Hamburger bei Mandy’s.
    Mandy’s hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit einem sterilen OP-Saal. Wir saßen auf roten Kunststoffstühlen an einem Kunststofftisch zwischen glänzend polierten Fliesenwänden. Die Theke an der Seite, auf der sich Rührstäbchen, Besteck,

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