Boy 7
glauben. Lulu hatte ihren Arbeitsplatz kurz verlassen. Das war mein Glücksabend! Das Brett, an dem die Schließfachschlüssel hingen, war unbesetzt! Ich brauchte Nummer einunddreißig nur schnell herauszugreifen.
Der Weißkittel drehte sich um. »Jetzt komm schon.«
Ich ließ das Schlüsselchen in meine Tasche gleiten. »Jaja.« In Gedanken machte ich ein paar Tanzschritte.
Es war, als würde der Weißkittel das spüren. Den restlichen Abend blieb er wie ein Wachhund neben mir, weswegen es mir nicht gelang, das Notizbuch und den Stick im Schließfach zu deponieren.
2
»Bei Rocky’s?«, fragte Louis.
Wir saßen auf dem oberen Etagenbett. Ich hatte den gesamten Inhalt aus unserem Geheimversteck geholt und zwischen uns gelegt.
Ich nickte. »Sobald sich die Gelegenheit bietet. In diesem Schließfach liegt es absolut sicher.«
»Und wie willst du das behalten?« Louis hatte die Beine angezogen und ließ die eingeschaltete Taschenlampe auf seinen Knien liegen. »Wenn es dir gelingt zu fliehen, löschen sie dein gesamtes Gedächtnis. Dann weißt du also auch nicht mehr, wo der Stick und das Notizbuch liegen.«
»Das kriege ich schon wieder raus. Einfach das Schlüsselchen überall ausprobieren.« Ich warf es hoch und fing es wieder auf. »So lange, bis ich das richtige Schließfach finde.«
Er sah mich an, als hätte ich etwas sehr Dummes gesagt. »Weißt du, wie viele Schließfächer es allein in Flatstaff gibt? Das hieße ausprobieren bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.«
»Nicht alle Schließfächer«, versuchte ich mir selbst Mut zu machen. »Nur die mit der Zahl einunddreißig.«
»Und vielleicht beginnst du deine Suche dann irgendwo in Denver oder Boston«, beharrte Louis. »Weißt du’s?«
Ich seufzte. »Nicht, wenn wir meine Flucht gut vorbereiten. Dieses Schlüsselchen ist ein Anhaltspunkt. Und ich werde einfach noch mehr solcher Gegenstände mitnehmen, die mir später helfen, das Notizbuch und den Stick wiederzufinden.« Ich fischte den Zettel von Pizza Hut aus dem Häufchen auf unserem Bett.
»Deine Bestellliste ist Hinweis Nummer zwei. Die Adresse darauf gehört zu Flatstaff, also ist es auch logisch, dass ich zuerst dort suche und nicht in Denver.« Ich legte den Zettel zu dem Schlüssel neben mir und nahm das Foto, das ich aus dem Rahmen neben dem Versammlungsraum genommen hatte. »Hinweis Nummer drei: das große graue Gebäude. Also kann ich dich und die anderen Boys immer finden.«
Louis machte schon ein weniger düsteres Gesicht. »Vergiss das Geld nicht.« Er kickte die Rolle mit den Scheinen zu den restlichen Dingen. »Kein Hinweis, aber verdammt praktisch.«
»Mal sehen, was haben wir sonst noch?«, rief ich.
Er lachte. »Du kommst mir vor wie ein Quizmaster. Sie haben gewonnen ...«
»... eine Haarnadel.« Ich steckte sie in Louis’ Kraushaar. »Nicht wirklich nützlich für jemanden ohne besondere Einbrecherqualitäten.«
Ich nahm den Türpass in die Hand. »Nur für internen Gebrauch. Weg damit.«
Louis fing ihn auf. »Das Aufnahmegerät. Unsere treue Gedächtnisstütze!«
»Das stimmt!«, rief ich ausgelassen. »Ich kann eine Nachricht hinterlassen, dass ich die Sachen bei Rocky’s abholen muss.«
»Praktisch für die Weißkittel, wenn sie dich schnappen.« Louis lachte wieder, aber jetzt nicht mehr fröhlich, sondern ein wenig abfällig. »Du versteckst das Notizbuch und den Stick vorher und dann erzählst du ihnen über das Aufnahmegerät, wo alles liegt.«
Was war ich doch für ein Trottel! Ich konnte nicht mehr so tun, als wäre es ein Spiel. Louis hatte recht. Ich musste damit rechnen, dass mein Fluchtversuch scheitern konnte. »Kein Aufnahmegerät also.«
Louis schlug mir auf einmal knallhart auf die Schulter. »Aber dann ...«
»Hallo?!« Ich rieb mir die schmerzende Stelle.
»Genau, hallo!« Er nahm sein Handy und hielt es an sein Ohr. »Spreche ich mit Sam Waters? Ich habe hier Hinweis Nummer vier.«
Die Mailbox des Präsidenten war offensichtlich ein heißes Eisen. Schon am nächsten Tag wurde ich wieder abgeholt und in den Spionagetransporter gesetzt. Nicht, dass meine Versuche irgendein Ergebnis gehabt hätten. Ich konnte mich nur unzureichend konzentrieren. Meine Gedanken waren bei dem Notizbuch und den USB-Sticks, dem Schlüsselchen in meiner Tasche und der Mobilnummer von Louis’ Handy, die ich mir auf die Innenseite meines Arms geschrieben hatte. Nun ja, eigentlich war es nicht Louis’ eigenes Handy, er hatte es einem Touristen geklaut und den Inhalt des
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